: Befristete Jobs eingeschränkt
Neuer Gesetzentwurf von Arbeitsminister Riester: Kettenarbeitsverträge sollen nicht mehr zulässig sein. Neuer Rechtsanspruch auf Teilzeit wird geschaffen. Unternehmer protestieren. Bisherige Form der Arbeitszeitverkürzung ist wenig gefragt
von BARBARA DRIBBUSCH
Der 43-jährige Berliner Arzt musste schon seit sechs Jahren das gleiche Spiel mitmachen: Immer wieder wurde sein Anstellungsvertrag auf einer geriatrischen Station verlängert. Manchmal erhielt der Mann erst drei Wochen vor Auslauf der Verträge die erlösende Nachricht. „Da wird man zynisch“, sagt er.
Jobschicksalen wie denen des Arztes will Sozialminister Riester (SPD) einen Riegel vorschieben: Mit seinem gestern vorgelegten und demnächst verhandelten Gesetzentwurf über befristete Arbeitsverhältnisse werden Kettenarbeitsverhältnisse verboten. Der Entwurf sieht vor, dass Arbeitsverträge nur noch bei Neueinstellungen ohne sachlichen Grund für maximal zwei Jahre befristet sein dürfen. Ansonsten sind Befristungen nur mit einem sachlichen Grund möglich, also etwa als Schwangerschaftsvertretung oder wenn der betriebliche Bedarf nur vorübergehend ist. Vor allem aber: Befristete Verträge „ohne sachlichen Grund“ dürfen nicht mehr auf solche „mit Grund“ folgen. Genau so aber war der Arzt in die berufliche Hängepartie geraten.
Während der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) gestern den neuen Gesetzentwurf lobte, rügte die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) die geplante Regelung. Das Verbot von Verknüpfungen von befristeten Arbeitsverträgen nehme den Unternehmen „die notwendigen Gestaltungsspielräume“, so der BDA-Rechtsexperte Roland Wolf.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hingegen hätte das Gesetz gerne noch schärfer gesehen. Nach dem Auslaufen einer Befristung ohne Grund dürfe derselbe Job nicht ohne Begründung von einem anderen Beschäftigten mit gleichfalls wieder befristetem Vertrag ausgeübt werden, forderte DGB-Rechtsexpertin Martina Perreng. Sonst bestünde die Gefahr, dass „die Arbeitnehmer nach Auslaufen ihrer Befristung einfach ausgetauscht würden“.
Riesters neuer Gesetzentwurf enthält noch eine weitere brisante Regelung. Beschäftigte sollen künftig einen Anspruch auf Teilzeit haben, „wenn dringende betriebliche Gründe nicht entgegenstehen“. Bei der Besetzung freier Vollzeitarbeitsplätze seien Rückkehrwünsche der Teilzeiter „bevorzugt zu berücksichtigen“.
Der DGB begrüßte gestern den neuen Teilzeitanspruch „außerordentlich“. Die Arbeitgebervereinigung BDA hingegen monierte, dass das Gesetz die Betriebe überfordere. Dass der Anspruch nur dann nicht bestehen solle, wenn ihm „dringende betriebliche Erfordernisse“ entgegenstünden, führe zu Unklarheiten.
In der Praxis allerdings werde der neue Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit wohl kaum in Anspruch genommen, vermutet Andreas Hoff, Arbeitszeitberater in Berlin und Kenner der Teilzeitproblematik in der Bundesrepublik. Wichtig für die Beschäftigten seien nicht nur die kürzere Arbeitszeit, sondern vor allem die Verteilung der Arbeitsstunden über die Woche. Verweigert das Unternehmen den Teilzeitwunsch, müsste der Beschäftigte deswegen klagen. Es sei aber kaum damit zu rechnen, dass ein Gericht dem Arbeitnehmer dann ohne Weiteres zugestehe, auch noch genauestens über die Verteilung der Arbeitszeit zu bestimmen. „Teilzeit ist eher eine Frage der Unternehmenskultur als der Gesetze“, so Hoff.
Beim Energiekonzern Eon beispielsweise haben die Beschäftigen schon seit anderthalb Jahren ein Recht darauf, ihre Arbeitszeit von 100 auf 85 Prozent zu reduzieren. Der Lohn wird entsprechend gekürzt. Das Modell wurde bisher aber nur von wenigen Beschäftigten in Anspruch genommen. „Viele fürchten wohl die Lohneinbuße“, vermutet Eon-Betriebsratsvorsitzender Rüdiger Hinrichsen.
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