: Das Schwein Wutz kann richtig sprechen
In Berlin befindet sich gerade die dritte Schule für Logopädie in der Gründungsphase. Obwohl der Markt schonweitgehend gesättigt ist, lohnt sich die Ausbildung immer noch: In dem „Frauenberuf“ gibt es eine hohe Fluktuation
Irgendetwas muss Professor Habakuk Tibatong, der fabelhafte Tiersprechtrainer aus dem Augsburger-Puppenkisten-Klassiker „Urmel“, falsch gemacht haben. Zwar haben alle seine Schüler dank Medizin und einer speziellen Mundgymnastik sprechen gelernt, doch leider nicht so richtig. Der Waran Wawa kann das „Sch“ nicht sprechen, der Storch sagt „L“ statt „R“. Einzig das Schwein Wutz beherrscht die menschliche Sprache einwandfrei, der Rest der Truppe ist ein Fall für den Logopäden.
Sie helfen Menschen bei der Behandlung von Sprach-, Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen, die organisch oder funktionell bedingt sein können. Das Ziel der Logopäden ist die individuell befriedigende Kommunikationsfähigkeit ihrer Patienten.
Die oben geschilderten Probleme der Augsburger Puppenkinder sind typische Ausprägungen kindlicher Sprach- und Sprechstörungen. Die fehlende oder falsche Lautbildung ist neben der Redeflussstörung – dem Stottern – das häufigste Sprachproblem von Kindern und Jugendlichen. Erwachsene leiden häufiger unter krankheitsbedingten Störungen, hervorgerufen durch einen Schlaganfall, durch Kehlkopfoperationen oder Überlastung der Stimme. Ihnen helfen Logopäden, die Sprache wieder zu erlangen und somit die Kommunikations- und Berufsfähigkeit wiederherzustellen. Chronisch Kranke werden bei der Krankheitsbewältigung unterstützt.
„Das Altersspektrum der Patienten reicht vom Säugling bis zum Greisenalter“, weiß Angelika Rother, Logopädische Leiterin der IB Medizinischen Bildungseinrichtung Berlin (Telefon 25 93 09 20). Momentan befindet sich die Berufsfachschule für Logopädie noch in der Gründungsphase, doch demnächst sollen dort 20 Schüler den nichtärztlichen Medizinalfachberuf erlernen können. Die private Bildungseinrichtung wird die dritte Schule für Logopädie in der Stadt sein. „Der Standort Berlin ist für die Logopädie sehr intelligent“, berichtet Frau Rother, „bereits 1962 öffnete hier die erste deutsche Schule für Logopädie ihre Pforten.“ Heute ist diese Schule, die einzige öffentliche in der Stadt, der Freien Universität Berlin unterstellt. Da an dieser Schule, anders als bei den privaten Einrichtungen, kein Schulgeld gezahlt werden muss, ist der Andrang besonders groß. 400 bis 600 Bewerbungen gehen jährlich für die 14 Plätze ein.
Aber auch Angelika Rother kann sich über mangelndes Interesse nicht beklagen. Schon jetzt landeten etwa 200 Bewerbungen auf ihrem Schreibtisch. Die Ausbildung zum Logopäden erfolgt nach einem bundeseinheitlichen Curriculum. Sie dauert drei Jahre und ist eine schulische Vollzeitausbildung. Neben den theoretischen, medizinischen und geisteswissenschaftlichen Grundlagen umfasst die Ausbildung einen hohen praktisch-klinischen Anteil in Diagnostik und Theorie.
Die Schule arbeitet eng mit der Klinik Berlin, einem Neurologischen Rehabilitationskrankenhaus, zusammen. Nach Abschluss der Ausbildung können die Logopäden als Angestellte in stationären Einrichtungen, in Krankenhäusern oder Rehakliniken arbeiten, ambulant in sozialpädiatrischen Zentren oder als selbstständige Logopäden tätig sein.
Nach Auskunft des Deutschen Bundesverbandes für Logopädie ist die logopädische Versorgung in Deutschland nicht flächendeckend. Besonders in ländlichen Gebieten sind Logopäden gesucht. „In den Ballungsgebieten ist ein gewisser Sättigungsgrad erreicht“, schränkt Angelika Rother die Berufschancen ein. Doch da Logopäde fast ein reiner Frauenberuf ist, ist die Fluktuation sehr groß. So starten viele ihr Berufsleben als Vertretung einer Frau, die im Erziehungsurlaub ist, arbeiten halbtags oder auf Stundenbasis. KARIN HAHN
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