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: Lasst Hymnen sprechen

Lübke über alles

Bei der Eröffnungsfeier wurden gestern schon alle Nationalhymnen kurz angespielt. Ab heute Nacht werden sie erklingen zur Lobpreisung der GoldmedaillengewinnerInnen. Die Texte haben oft ihren ganz eigenen Charme. Kostproben? Wir lassen singen:

„`E `Otua Mafimafi, ko ho mau `Eiki Ko ... o malai `a Tupou“ erklingt süß die Hymne des Südsee-Königreichs Tonga, das zu elft (drei Teilnehmer, acht Funktionäre) angereist ist. Bedeutet: „Unser großer Gott im Himmel, dem wir in unserer Güte vertrauen ... bewache und schütze Tupou, unseren König.“ Bei Thronwechsel werden sie die Hymne zeitnah umtexten müssen. Sonst wäre es ja, als sängen wir zu Ehren des höchsten Staatsrepräsentanten noch heute: „Lübke, Lübke über alles ...“

Leider werden wir „Salve, Salve, Roma“ nicht hören, weil so nicht etwa der Italiener jubiliert, sondern es der Athlet vom Heiligen Stuhl täte: Nur leider hat der Vatikan kein eigenes Olympiateam. Der Italiener schmettert machismotischer: „Brüder Italiens, Italien ist erwacht ... wir sind bereit zu sterben.“ Todessehnsucht ist eh Thema vieler Hymnen. Anders der Finne. Er lobpreist nicht Nokia oder seine Mücken, sondern poetically correct „... die Blüten, die sich aus ihren Knospen tasten, mögen umhüllen mit Frühling das Land.“ Fast so schön preisen sich unsere Nachbarn: „Land der Berge, Land der Ströme, Land der Äcker, Land der Döme, Land der Hämmer, zukunftsreich: Viel gerühmtes Österreich!“ Schweizer stehen dem nicht nach: „Kommst im Abendglühn daher, find ich dich im Sternenheer ... Wenn der Alpen Firn sich rötet, betet, freie Schweizer, betet.“

Die Gastgeber setzen mehr auf ihre Jugend: „Australians all let us rejoice, for we are young and free.“ Der Irak betont aparterweise seine „glorreiche Toleranz“. Palästina, nennt sich, obwohl erstmals dabei (mit einem Geher und einer Schwimmerin) hymnisch „Nation der Ewigkeit“, wo Übelmeinenden der „Vulkan meiner Rache“ droht. Das Emirat Bahrain hat erstmals zwei Athletinnen ohne Schleier dabei: „Lang lebe unser Bahrain, Land der Sicherheit, der Gastfreundschaft, von Gerechtigkeit und Frieden.“

Solch Versöhnungsvokabular taucht weltumspannend auf. Aber es geht auch deutlich martialischer, schon beim alten Iren: „Wir sind Soldaten, deren Leben Irland verpfändet ist. Niemand in unserer Vorfahr’n Land soll vergeben den Tyrannen der Sklaverei ...“ Der Chinese als Ire Asiens jubiliert ähnlich: von Blut, Sklaverei und des Feindes Waffensalven. Auch Olympia-Erfinder Griechenland betönt den Heldentod und das „fürchterliche Schwert“ seiner Krieger. Gaddhafis Libyen (drei Aktive in Sydney) ist sogar in großer Gefahr: „Die Armee des Feindes kommt uns zu zerstören. Mit Vertrauen und Waffe will ich ihm widerstehen. Und auch wenn ich stürbe, so greife ich den Tyrannen bei der Stirn und zerstöre ihn! Allahu akbar!“

Abschließend möchten wir noch auf ein Land hinweisen, dessen Hymne in der englischen Übersetzung besonderen Charme für deutsche Ohren entwickelt: „Unity and Right and Freedom are the pledge of happiness.“

Frohe Spiele, frohes Ergriffensein. BERND MÜLLENDER