: Die Monopol-Publizisten
Offiziell wird heute über den begehrten Kabelplatz für landesweites Privatfernsehen in NRW entschieden. Doch die Verleger haben die Machtprobe an Rhein und Ruhr längst gewonnen
von DAVID SCHRAVEN
Die nordrhein-westfälische Landesrundfunkkommission entscheidet heute in Düsseldorf über die Vergabe des Kabelplatzes 19 an das erste landesweite Privatfernsehen in NRW. Aussichtsreichster Kandidat ist tv.NRW. Die anderen Bewerber NRW 1 und NRW TV scheinen geschlagen.
Sollte sich die Kommission für das Dortmunder Unternehmen entscheiden, wäre das ein großer Erfolg für die hinter tv.NRW stehenden NRW-Großverleger WAZ und DuMont sowie den Medienunternehmer Theo Baltz. Für sie eröffnet der Kabelplatz den Weg in über 4,4 Millionen Haushalte und damit zu einem potenziellen Werbemarkt mit über 100 Millionen Mark Umsatz.
Am vergangenen Samstag schien bereits alles abgemacht: Der Direktor der zuständigen Landesanstalt für Rundfunk NRW (LfR), Norbert Schneider, empfahl der Kommission unter dem Vorsitz des SPD-Politikers Wolfgang Hahn-Cremer tv.NRW als „besten Kandidaten“. Der Sender habe das „vielfältigste Angebot in der Regionalität“: Die Dortmunder wollen fünf Stunden eigenproduziertes Programm anbieten. Doch hinter den Kulissen tobte der Kampf bis gestern weiter: Zwar einigte sich tv.NRW mit NRW TV, hinter dem die Rheinische Post und die Kirch-Gruppe steckt, über eine mögliche Zusammenarbeit. Doch der ebenfalls in der Bierstadt ansässige Kandidat NRW 1 wollte nicht aufgeben.
Und NRW 1 hat starke Freunde – nicht zuletzt eben jenen Hahn-Cremer, der heute die Sitzung der Rundfunkkommission leitet.
Gegründet wurde NRW 1 von dem Revier-Baulöwen Engelbert Heitkamp und der Stadt Dortmund. Beide sorgten dafür, dass sie nicht ungerüstet in die Schlacht gegen die NRW-Verleger zogen. Was dabei herauskam, bezeichnete der NRW-Landesvorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes, Michael Kroemer, gegenüber der taz als „mafiöse Strukturen“: Zunächst engagierten Heitkamp und die Stadt im Frühjahr 1999 Helmut Hellwig.
Hellwig ist nicht irgendjemand. Der SPD-Medienpolitiker war von 1987 bis Ende Mai 1999 Vorsitzender eben jener Landesrundfunkkommission und als solcher einer der heftigsten Befürworter des privaten Fernsehens in NRW. Nach dem Ausscheiden aus diesem Amt bekam Hellwig, im Branchenjargon der „Bangemann vom Pott“, prompt einen gut dotierten Job als Berater bei NRW 1.
Den zweiten einflussreichen Mann brachte die Stadt Dortmund mit: ihren bisherigen medienpolitischen Berater Wolfgang Hahn-Cremer, der nun quasi mit Hellwig getauscht hat und heute die Abstimmung in der Rundfunkkommission leitet.
Bis Sommer 2000 schien alles gut zu laufen. Hahn-Cremer und die LfR sorgten dafür, dass sich alle Wettbewerber um den Kabelplatz 19 in einer Gesellschaft unter der Führung von NRW 1 vereinigten, Ende August wollte er eigentlich dem so entstandenen tv.nrw 1-Konsortium die Lizenz für den begehrten Kabelplatz übergeben.
Stattdessen kam es zum Eklat. Die Verleger hatten das Programmbudget des Senders drastisch gekürzt und die Einführung eines rechtlich nicht zulässigen Ballungsraumfernsehens gefordert. Ihr Ziel: tv.nrw 1 vor die Wand zu fahren, das nicht zuletzt auf Druck der LfR zustande gekommene Konsortium zu zerschlagen und den begehrten Kabelplatz ohne den branchenfremden Heitkamp und die Stadt Dortmund zu erobern.
„Die Verleger verteidigen mit dem Privatsender im Kabelnetz ihren regionalmonopolistischen Markt“, sagt ein Insider. In den NRW-Ballungsräumen beherrschen sie bereits die Zeitungen und das Lokalradio.
Für Heitkamp war das zu viel: Er verkaufte seine Anteile an NRW 1 an den Dortmunder Medienunternehmer Walter Wirsing. Wirsing, nebenbei Schatzmeister des BV Borussia Dortmund, und die Stadt nahmen noch einmal den Kampf mit den Verlegern auf. Im Gegenzug zur tv.NRW-Offensive des LfR-Direktors Schneiders mobilisierten sie in der vergangenen Woche ihre Hilfstruppen. Hinter den Kulissen warb Hahn-Cremer bis zum letzten Augenblick für Zustimmung zu NRW 1. Auch der CDU-Fraktionsgeschäftsführer im Dortmunder Stadtrat, Hans Georg Hovermann, griff in einem Brief an die CDU-Mitglieder in der Landesrundfunkkommission das Verlegerfernsehen an: Mit tv.NRW würde ihr Regionalmonopol weiter gestärkt. Der Präsident der IHK Dortmund, Winfried Matern, wagte sogar öffentlich, tv.NRW zu kritisieren: Das Verlegerfernsehen würde den Standort Dortmund verraten, so Matern. Doch es ist unwahrscheinlich, dass ihnen diese Offensive in letzter Minute noch etwas gebracht hat. Die Verleger sind heute zuversichtlich in die Abstimmung gegangen. Sie vertrauen auf ihre Macht. Wie Insider versichern, rief WAZ-Geschäftsführer Erich Schuhmann vor wenigen Tagen IHK-Chef Matern an und drohte ihm, die WAZ würde aus der IHK austreten, sollte er sich noch einmal negativ über tv.NRW äußern. Seitdem ist Matern erstaunlich still.
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