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Schröder straft Kohl mit Schweigen

Am zehnten Jahrestag der Einheit heben Gerhard Schröder und Johannes Rau den Einsatz der Ostdeutschen für die friedliche Revolution hervor. CSU-Chef Stoiber beschimpft die SPD, Österreichs Kanzler Schüssel kritisiert deutsche „Machthaber“

von ANTJE SATOR, AFP

Zum zehnten Jahrestag der deutschen Einheit haben Bundespräsident Johannes Rau und Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) den Einsatz der Ostdeutschen für die friedliche Revolution in der DDR hervorgehoben. Seinen Vorgänger Helmut Kohl (CDU) erwähnte Schröder in seiner Rede kein einziges Mal.

Die Wende sei nur möglich gewesen, „weil die Menschen in der früheren DDR sich ein Herz gefasst haben“, sagte Schröder gestern bei dem offiziellen Festakt in der Dresdner Semperoper. Anders als Schröder würdigte Rau Kohl: „Jenseits aller aktuellen Auseinandersetzungen halte ich fest: Die Verdienste von Helmut Kohl um die staatliche Einheit der Deutschen können durch nichts geschmälert werden.“

Nach Ansicht des letzten DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière wurden die DDR-Bürger durch die Einheit „unendlich“ gefordert, sie hätten sich quasi über Nacht völlig umstellen müssen. Die Westdeutschen wiederum hätten den Großteil der materiellen Lasten getragen.

Der französische Präsident Jacques Chirac sagte mit Blick auf die Menschen in der ehemaligen DDR, dass auch „unerbittliche Unterdrückung“ Menschen nicht aufhalten könne, die nach Demokratie und Würde streben. Deutschland habe ein „Signal der Vereinigung des gesamten Kontinents gesetzt“. Chirac sagte, Helmut Kohl werde „in die Geschichte als großer Deutscher und als großer Europäer eingehen“. Der Exkanzler hatte seine Teilnahme an dem Festakt in Dresden abgesagt, nachdem er von dem Gastgeber, dem sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (CDU), nicht auf die Rednerliste gesetzt worden war.

In den vergangenen Tagen hatte Kohl der SPD und vor allem Schröder vorgeworfen, vor der Wende den Glauben an die Einheit aufgegeben und diese damit verraten zu haben. Dies hatte zu einem heftigen Parteienstreit geführt, der sich gestern fortsetzte: CSU-Chef Edmund Stoiber warf Schröder bei einer eigenen Veranstaltung in Bayern vor, er habe die Wiedervereinigung nicht gewollt. Es sei infam und jämmerlich, wenn die SPD jetzt die enorme Aufbauleistung in den neuen Ländern der unionsgeführten Bundesregierung als Erblast in die Schuhe schiebe.

Der österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel kritisierte die deutsche Regierung, weil sie keinen österreichischen Regierungsvertreter nach Dresden eingeladen habe. Im Unterschied zur deutschen Bevölkerung erinnerten sich „manche Machthaber“ nicht an den Beitrag Österreichs zur Wiedervereinigung, sagte Schüssel in Wien. Die Nichteinladung sei eine „versäumte Chance und Geste“.

Am Rande der Feiern in Dresden nahm die Polizei 64 Menschen in Gewahrsam. Weitere 18 seien vorläufig festgenommen worden, teilte die Polizei mit. Bei ihnen seien zum Teil gefährliche Gegenstände wie Schlagringe sichergestellt worden. Auch ein Transparent mit rechten Parolen sei beschlagnahmt worden. Einige Personen hätten trotz eines von der Stadt verhängten Verbotes versucht, spontan eine Versammlung abzuhalten. Bei den Störern handelte es sich laut Polizei sowohl um Personen aus der rechten als auch der linken Szene. Rund 2.000 Polizisten aus mehreren Bundesländern in Dresden im Einsatz. Nach Schätzungen der Polizei feierten am Nachmittag rund 200.000 Dresdner im Stadtzentrum die deutsche Einheit. (mit dpa)

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