: die wirrsten grafiken der welt (23): windige stufen zur vollkommenheit
„Das Enneagramm ist eine uralte Persönlichkeits-Typologie, die der persönlichen Erkenntnis und Entwicklung dient. Die Ursprünge des Enneagramms sind weitgehend unbekannt. Ursprünglich von Generation zu Generation in der Tradition der Sufis weitergegeben, wurde es Anfang des 19. Jahrhunderts auch in Europa bekannt. Das Enneagramm unterscheidet 9 Persönlichkeitstypen, zu denen wir von unserer Geburt her in bestimmter Beziehung stehen, und die entsprechend einflussreich auf unsere persönliche Entwicklung sind. Das Enneagramm stellt diese Beziehungen und Einflüsse grafisch dar. Es soll helfen, diese Beziehungen bewusst zu machen, persönliche Stärken und Schwächen zu erkennen und so das Leben individueller und freier zu gestalten.“ (praxis-info.ch)
Wirre Grafiken gibt es wie Sand auf unserer Haut, und bei weitem nicht alle sind Hinkucker. Manche aber doch. „Anbei ein Prachtexemplar“, schreibt die Einsenderin Karoline Harthun und verspricht damit nicht zu viel. Entdeckt hat sie das wirklich beispiellos schöne Exemplar in einem Buch mit dem Titel „Enneagramm. Stufen zur Vollkommenheit. Einführung in das Sufi-Enneagramm und in die Kunst der Selbsterkenntnis“, verfasst von Ingrid und Kurt Bauer, erschienen 1995 in der Urania Verlags AG. Schwindelig kann einem werden, wenn man das ulkige Enneagramm betrachtet: Aus den drei Welten des Verhaftetseins windet sich die Bettfeder der Selbsterkenntnis spiralförmig zur Vollkommenheit empor, vorbei an den Stationen „Liebe“, „Spannkraft“, „Palme“, „Baustein“, „Tränen“, „Herz“ und anderem Gelumpe, das nur Esoteriker entschlüsseln können, die einen „Durchbruch“ mit Herz erzielen wollen. Träge, erstarrte Materialisten mit eindimensionaler Lebenssicht werden wohl nicht einmal über die „Symbolebene Radfahren“ hinausgelangen. Aber welcher Materialist braucht auf seinem Lebensweg schon ein Enneagramm? Materialisten, die ihr Ziel erreichen wollen, sind mit Falk-Plänen besser bedient. Und dabei soll es bleiben, bis ans Ende aller Dinge. GERHARD HENSCHEL
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