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Kein Platz für Behinderte

Nur 12 Prozent aller Betriebe erfüllen die Beschäftigtenquote für Schwerbehinderte. Arbeitsamt startet Aktionsprogramm: Unternehmen erhalten finanzielle Anreize

Menschen mit Behinderungen werden immer mehr von der Teilnahme am Berufsleben ausgeschlossen. Seit 1993 ist die Zahl der arbeitslosen Schwerbehinderten um 40 Prozent gestiegen, fast 10.000 Schwerbehinderte sind derzeit in Berlin arbeitslos. Hauptursache: Die Betriebe erfüllen ihre Beschäftigungspflicht nur unzureichend. Denn nur 12 Prozent der Betriebe erfüllen die gesetzlich vorgeschriebe Quote, nach der Unternehmen mit mehr als 16 Beschäftigten verpflichtet sind, 6 Prozent der Arbeitsplätze Schwerbehinderten zur Verfügung zu stellen.

Rund die Hälfte aller Betriebe stellt nach Auskunft des Landesarbeitsamtes gar keine Behinderten ein. Während der Öffentliche Dienst die 6-Prozent-Quote fast erfüllt, liegt sie in der privaten Wirtschaft bei gerade mal 3,4 Prozent. Die bisherige „Strafabgabe“ von 200 Mark monatlich pro nicht besetztem Arbeitsplatz werde offenbar aus der Portokasse bezahlt. Viele Betrieben hätten Angst davor, einen Schwerbehinderten einzustellen, heißt es im Landesarbeitsamt. „Die fürchten, den dann nicht mehr loszuwerden.“

Das Landesarbeitsamt und die Arbeitsverwaltung haben deshalb ein Aktionsprogramm gestartet: Innerhalb der nächsten zwei Jahre sollen 2.200 neue Arbeitsplätze für Schwerbehinderte erreicht werden. Dabei müsse man hauptsächlich mit Vorurteilen aufräumen, betonte gestern der Chef des Landesarbeitsamtes, Klaus Clausnitzer, bei der Vorstellung seines Aktionsprogrammes. Schwerbehinderte könnten besondere Qualifikationen mitbringen und seien auch nicht häufiger krank als ihre anderen Kollegen. Oft sei ihre Motivation höher als die ihrer nicht behinderten Kollegen.

210 Mitarbeiter der Arbeitsämter versuchten bei dem gestrigen Aktionstag, in mehr als 1.000 Betrieben freie Stellen für Schwerbehinderte zu akquirieren. Grundlage des Aktionsprogrammes ist das von der Bundesregierung novellierte „Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter“. Darin sind neue Straf- und Anreizbestimmungen enthalten, die die Situation verbessern sollen. Statt 200 Mark müssen Unternehmer nun bis zu 500 Mark monatlich pro nicht besetzten Arbeitsplatz zahlen. Im Gegenzug wurde die Arbeitsplatzquote auf 5 Prozent gesenkt. Zugleich wurden die Fördermaßnahmen finanziell verbessert und die bürokratische Anmeldeprozedur vereinfacht.

Ein Unternehmer kann demnach Lohnkostenzuschüsse von bis zu 75 Prozent erhalten, wenn er einen Schwerbehinderten einstellt. Das Arbeitsamt übernimmt den Unternehmeranteil der Sozialabgaben. Im vergangenen Jahr haben die Berliner Arbeitsämter 750 Beschäftigungen von zuvor arbeitslosen Schwerbehinderten mit gefördert. 26 Millionen Mark wurden dafür ausgegeben. RICHARD ROTHER

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