Genomsequenz und Gummibärchen

Das Krachen der Zwölfender im Walde: Konrad Adam („Welt“) polemisiert gegen Frank Schirrmacher („FAZ“). Bei dem Feuilletonistenstreit geht es darum, wie viel Wissenschaft die Kultur verträgt, ohne langfristig Schaden zu nehmen ...

von DIRK KNIPPHALS

Journalistischer Intellektuellentratsch gefällig? Bitte sehr, hier ist welcher. Und zwar ist bei der aktuellen Ausgabe der Monatszeitschrift Merkur ganz überraschend ein feiner, allerdings deutlicher Wille zum Reißerischen zu vermelden.

Die Ausgabe enthält einen kleinen Aufsatz von Konrad Adam, lange Jahre Redakteur für Bildung und Wissenschaft im Feuilleton der FAZ, seit kurzem und nicht ohne vorausgegangene Querelen an gleicher Position für die Welt tätig. Betitelt ist das Stück etwas bildungsbeflissen mit „Das Machwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“, worunter man sich wenig vorstellen kann. Auf der Titelseite des Merkur aber steht eine andere Überschrift: „Wie ein Feuilleton Quote macht“. Und da ist jedem, der die Debatten in den Kulturteilen verfolgt, sofort klar: Es geht um eine Abrechnung mit der FAZ.

Das tut es, insofern ist der Titelwechsel schon recht, auch wirklich. Konrad Adam wirft zwar eine ganze Menge Nebelgranaten und versucht, das Thema ins Allgemeine zu überhöhen, indem er das seiner Meinung nach bedauernswerte Schicksal der Wissenschaft als solcher beklagt. Aber gerade in dem beträchtlichen Furor seiner Diktion bricht sich an entscheidenden Stellen eine ganz konkrete Empörung Bahn. Sie speist sich natürlich aus dem aktuellen Projekt des fürs FAZ-Feuilleton zuständigen – Adam wählt, als würde er juristische Schritte erwägen, das Wort „verantwortlichen“ – Herausgebers Frank Schirrmacher, die Wissenschaft in Gestalt von Nanotechnologie und Genomforschung ins Blatt zu hieven.

Nach allem, was sich aus dem Aufsatz schließen lässt, muss es hinter den Kulissen gehörig gekracht haben. Üblicherweise wird Schirrmachers Initiative – und zwar überaus kontrovers – als Versuch diskutiert, das Feuilleton zu ändern, es in Richtung Kampagnenjournalismus zu drehen und dabei zu verwissenschaftlichen. Adams Pointe läuft auf etwas anderes hinaus: Für ihn feuilletonisiert Schirrmacher die Wissenschaft. Und das kann, so Adam, nicht gut gehen: „Derart mediatisiert, bleibt von der Wissenschaft im herkömmlichen Sinne nicht viel übrig.“ Sie werde zum „Spaß- und Spielmaterial fürs Feuilleton degradiert“: „Gottschalk arbeitet in dieser Absicht mit Gummibärchen, Schirrmacher mit Genomsequenzen: Das ist auch schon der ganze Unterschied zwischen dem einen Showmaster und dem anderen.“

Gut gegeben? Auf jeden Fall hat es Konrad Adams Text verdient, eine geradezu klassische Polemik genannt zu werden: Seine Entertainmentqualitäten sind auch nicht schlecht, etwa wenn er formuliert, das Gesetz der Medien verlange „Spaß und Unterhaltung, Joy und Kurzweil“. Bill Joy und Ray Kurzweil sind bekanntlich die wissenschaftlichen Kronzeugen Frank Schirrmachers.

Aber es drängt einen dann doch, zwar nicht für den FAZ-Herausgeber – wieso auch? –, aber doch für die Feuilletonistenzunft insgesamt in die Bresche zu springen. Schließlich sollten die dort tätigen Intellektuellen schon für manches haftbar gemacht werden, für den Untergang der Literatur, der hehren Kunst (ein Schlenker gegen das Regietheater legt nahe, dass Adam auch hier Groll hegt), der Moral et cetera. Und nun für den Untergang der Wissenschaft? Hm. Was immer die Feuilletonisten tun, die Wissenschaft wird es schon überleben. Aber schauen wir im Umkehrschluss doch einfach mal, wie die Welt nun versuchen wird, das Infotainment in die Schranken zu weisen.