Verklemmtheit macht lustig

Ina und ihre Hengste vom Lande: Detlev Bucks Hochsauerlanddrama „Liebesluder“ will so gern ein Krimi sein

Es ist das Weib, dieser Teufel. Das hat sie alle verrückt gemacht. Hat die vier langweiligen, gelangweilten, an ihrem kleinstädtischen Leben festgeschraubten, durchschnittlichen und typischen Kerle dazu gebracht, Amok zu laufen. Aber der Reihe nach: Das Weib, die Fremde, platzt in Gestalt der schönen, blonden, schlanken, städtischen Ina (Mavie Hörbiger) in das Dorfidyll. Und schon nimmt das Elend seinen Lauf. Wie lange die Semesterferien denn überhaupt wohl noch gingen, will Wuschs (Detlev Buck) Ehefrau Suse (Barbara Philipp) argwöhnisch wissen. Aber da hat Ina schon sämtliche Hengste des Dorfes um den Finger gewickelt.

Beziehungsweise sie überhaupt erst gesattelt. Vorher, als Wusch (Detlev Buck) und Suse noch eine gute, langweilige Ehe führten, mit „Liebling, ich will nur noch schlafen“ im Bett, mit sackigen Nachthemden und endlosen Küchenstreits, bei denen Barbara Philipp mit ihrer heiseren Stimme, den vorwurfsvoll aufgerissenen Augen zu den abstehenden Ohren wie die Provinz-Inkarnation des Xanthippe-Eheweibs wirkt, vorher hatten die Kerle sich noch gar nicht als solche gefühlt. Ina küsst sie alle wach. Im wahrsten Sinne des Wortes: Die Herren kriegen reihum Frühlingsgefühle. Aber Suse riecht den Braten. „Ich warte hier auf meinen Mann“, sagt sie schnippisch, als sie bei Ina reinplatzt, „der kommt doch jeden Abend!!?“ Dann geht sie breitbeinig in die Hocke, lugt unters Bett und sagt „Wo ist mein Mann?“, wie ein Loriot-Comic zu seinen besten Zeiten.

Ina dagegen gewinnt auch noch das reine Herz des Guten, des Busfahrers Speedy (Simon Schwarz), der Bucks neuestem Film zumindest eine Zeitlang die Hoffnung auf ein Happy-End gibt. Denn Bucks Neuester ist keine schwarze Komödie, sondern fängt nur so an. Und geht recht bitter aus. Lustig ist der Film natürlich, wenn man Buck, wenn man all die lakonischen, norddeutschen oder, wie in diesem Fall, hochsauerländischen Betrachtungen mag: Die totenspießige und verklemmte Landpomeranze Christine (Anke Engelke) setzt ihren hässlichen Wagen direkt auf ein Bäumchen. Da kommt zufällig Ina vorbei und schaut zu, wie Anke als Christine peinlich, tölpelig, in Kostümchen und mit wohlondulierten Haaren das Bäumchen wieder aufzurichten versucht. Oder wie sie entgeistert nach ihrer Hochzeit konstatiert, dass sie mehr als einen Pürierstab geschenkt bekommen hat. Daraus spricht die tiefste, schamloseste Provinz, die Buck eins zu eins kopiert hat.

Der gute Speedy hilft Ina letztlich bei ihrem Plan, durch mehr oder weniger wildes Herumkopulieren mit allen vier potenziellen Potenten alle vier zum Alimentezahlen für ihre angebliche Schwangerschaft zu erpressen. Auch wenn er fast noch alles schlimmer macht.

Aber Bucks Film möchte so gerne ein Krimi sein, und darum sei hier nicht mehr dazu gesagt. Trotz der dunklen Farbgebung im Film, der düsteren Bildarrangements, der gewollten Dramatik, trotz der irgendwie trotzigen Haltung des Regisseurs, der andauernd zu rufen scheint: „Ich weiß gar nicht, was ihr daran witzig findet!“, ist der Film, allein durch die Beschreibung der mehr oder weniger kriminellen Handlungen, doch mehr klamaukig als wirklich spannend.

Er ist eine Liebelei mit dem Genre Krimi, etwas zum Kichern und gemütlichen Gruseln, zum hohlen „Hohohoho!“-Rufen, wenn es arg überspitzt und schwarz daherkommt und wenn es böse endet.

Eleganter als je eine Ingrid-Noll-Verfilmung, nicht so verstörend wie der klassische „Fremder kommt in die Stadt und mischt alles auf“-Film. Vielleicht wolte Buck hundertprozentig böse sein, trotzdem scheint – freiwillig oder nicht – eine Menge Menschenkenntnis, -liebe und irgendwie doch warmer schwarzer Humor durch. JENNI ZYLKA

„Liebesluder“. Regie: Detlev Buck. Mit Mavie Hörbiger, Anke Engelke, Detlev Buck u. a. Deutschland 2000, 91 Min.