Greenpeace entdeckt Europas Chimäre

Heute beginnende Konferenz entscheidet über künftige EU-Patentpolitik. Patente auf Lebewesen und Menschenteile könnten ausgeweitet werden

Von WOLFGANG LÖHR

Greenpeace hat in der Datenbank des Europäischen Patentamt (EPA) erneut ein „Skandalpatent“ entdeckt. Unter der Nummer EP 380646, so Greenpeace, erteilte das EPA schon Anfang 1999 der australischen Biotechfirma Amrad Patenschutz für die Herstellung von Mischwesen aus Mensch und Tier. Obwohl die Anwendung dieses Verfahrens in Deutschland nicht erlaubt sei, habe das EPA den Patentantrag durchgehen lassen.

In dem gestern von Greenpeace aufgedeckten Patent heißt es, dass die „embryonalen Stammzellen von Menschen, Mäusen, Vögeln, Schafen, Rindern, Ziegen oder Fischen“ zur Züchtung chimärer Tiere verwendet werden sollen. Daraus würden Mischwesen entstehen, bei denen die unterschiedlichsten Körperteile vom Tier oder vom Menschen stammen können. „Das EPA missachtet jede ethische Grenze und belügt die Öffentlichkeit“, sagt der Patent-Experte vor Greenpeace, Christoph Then. Nachdem Greenpeace einen Patentantrag für eine Chimäre aus Schwein und Mensch öffentlich machte, hatte das EPA im Oktober erklärt, dass aus ethischen Gründen grundsätzlich keine Patente auf Mischwesen erteilt werden.

Greenpeace hat den Veröffentlichungstermin des neuen Skandalpatents bewusst gewählt: Heute beginnt im Münchener EPA eine 10-tägige Konferenz, die über die zukünftige Patentpolitik in Europa entscheidet. Vertreter von 20 Staaten werden über eine Revision des Europäischen Patenübereinkommens (EPÜ) beraten. Dieser Vertrag ist die verbindliche Rechtsgrundlage für das EPA. Über eine Ausweitung der Patente auf Lebewesen und Teile von Menschen wird laut Tagesordnung nicht diskutiert. Das scheint bereits beschlossene Sache zu sein. So hatte der Verwaltungsrat des EPA schon im Juni 1999 eine Verordnung erlassen, mit der die umstrittene EU-Richtlinie über biotechnologische Erfindungen zur Basis für die Patentvergabe ernannt wurde. Mit dieser Entscheidung wurde erstmals die Rechtsgrundlage geschaffen, dass das EPA auch Tiere, Pflanzen und Teile des menschlichen Körpers unter Pantentschutz stellen darf.

Das neue EPÜ stößt nicht nur bei Biotech-Kritikern auf Ablehnung. Vorgesehen ist auch, dass künftig Patente für Software erteilt werden dürfen. Bisher sieht das EPÜ vor, „dass Programme für Datenverarbeitung“ nicht patentiert werden dürfen. Diese Vorschrift habe das EPA in der Vergangenheit schon wiederholt missachtet, kritisiert der „Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur“ (ffii). Jetzt soll der Verbotspassus ganz aus dem EPÜ gestrichen werden. Befürchtet wird, dass dann nur noch wenige Firmen den Software-Markt beherrschen werden.

www.european-patent-office.org; www.keinpatent.de

http://swpat.ffii.org/xatra/epue28/indexde.html