piwik no script img

Hohe Meisterschaft

Heute kommt Helmut Kohls Tagebuch in die Buchläden

Helmut Kohl, Jahrgang 1930, promovierter Historiker, war von 1969 bis 1976 Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, von 1973 bis 1998 Vorsitzender der CDU und von 1982 bis 1998 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Seit 1976 bis heute ist er Bundestagsabgeordneter.

Nach Anne Frank und Adolf Hitler hat jetzt ein weiterer Deutscher ein Tagebuch geschrieben: Dr. Helmut Kohl. „Mein Tagebuch“, so lautet sein Titel – darauf muss man erst mal kommen. Überhaupt hat der Altkanzler mit seinen persönlichen Aufzeichnungen einen neuen Standard in der Tagebuchschreiberei geschaffen. Als schlichtweg genial muss etwa seine Eingebung gelten, über jeden Tag, den er abfasst, namentlich den Wochentag sowie dessen Datum zu setzen. So wird einem, gleichsam in einer Kapitelüberschrift, sofort angezeigt, welcher Tag hier gerade behandelt wird.

Auch die strikte Einhaltung der chronologischen Abfolge zeugt von einer hohen Meisterschaft dieses Tagebuchschreibers. So folgt auf Sonntag, den 27. September, Montag, der 28. September, und nicht etwa umgekehrt. Ein Prinzip, das Kohl bis zum Schluss seines Werkes diszipliniert durchzuhalten versteht. Kaum weniger beeindruckend: die Schreibweise in Kohls Tagebuch erfolgt konsequent Seite für Seite von oben links nach unten rechts. Sämtliche Buchseiten verfügen zudem über eine Seitenzahl, deren Nummerierung überdies fortlaufend ist, und zwar von Beginn des Buches zu seinem Ende hin in der Zählung ansteigend. Kann es ein sinnfälligeres Ordnungsprinzip für ein Tagebuch geben?

Außerdem hat Helmut Kohl ein Inhaltsverzeichnis erstellen und es an den Anfang seines Tagebuches setzen lassen, so dass einem, nicht zuletzt auch im Zusammenspiel mit den Seitenzahlen, das Auffinden bestimmter Stellen denkbar einfach gemacht wird. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch, dass sowohl Buchtitel als auch Autorenname nicht nur auf dem Buchdeckel, sondern auch auf dem Buchrücken angegeben sind, so dass dieses Tagebuch, selbst hochkant ins Regal gestellt, problemlos auch in der umfangreichsten Bibliothek wiedergefunden werden kann.

Einziger Mangel: Kohls Tagebuch verfügt über kein Schloss: „Da kann ja jeder drin rumschnüffeln und alles lesen“, schimpft die elfjährige Tagebuchexpertin Suse Kruse. Damit nicht genug, soll das Tagebuch ab heute in sämtlichen Buchhandlungen offen ausliegen und somit für jedermann einsehbar sein. Es wird sogar gemunkelt, dass es käuflich zu erwerben sei.

FRITZ TIETZ

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen