: „Die Hängepartie bei der Bewag erinnert an Florida“
Die Stimmung unter den Bewag-Aktionären war bei der gestrigen Hauptversammlung nicht die beste. Sie wollen Klarheit über die Zukunft des Unternehmens – und die ist weiter ungewiss. Weitere Kritikpunkte einzelner Aktionäre: der niedrige Kurs und der massive Personalabbau
Bewag-Hauptversammlung gestern im ICC: Die Stimmung unter den zahlreichen Aktionären war nicht die beste. „Die Hängepartie bei der Bewag erinnert mich an eine anderere – die in Florida“, kritisierte ein Vertreter der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre. Die Großaktionäre blockierten wichtige Entscheidungen für die Zukunft des Unternehmens. „Hören Sie auf, die Bewag zum Spielball zu machen.“ Applaus im Saal.
Zuvor hatte auch Bewag-Vorstandschef Dieter Winje auf eine Verhandlungslösung im Streit um die künftige Eigentümerstruktur des Berliner Stromversorgers gedrängt. „Wir appellieren an die beteiligten Unternehmen, im Interesse der wirtschaftlichen Entwicklung Ostdeutschlands, der Kunden und der Beschäftigten zusammenzukommen.“ Nach einer Gerichtsentscheidung vom Montag bleibt der geplante Einstieg der Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) bei der Bewag blockiert. Das Berliner Landgericht hatte eine von dem US-Stromkonzern Southern Energy erwirkte einstweilige Verfügung gegen den Stromriesen Eon bestätigt. Danach darf die beschlossene Übertragung der Eon-Anteile an der Bewag an die HEW weiterhin nicht vollzogen werden.
Hintergrund: Die Amerikaner wollen ihre wirtschaftliche Führung bei der Bewag nicht verlieren. Nun soll ein Schiedsgericht eine Einigung bringen. Das kann bis zu drei Monate dauern. Allerdings drängt die Zeit. Noch im Dezember soll eine Entscheidung über die Player auf dem ostdeutschen Strommarkt fallen. Bewag-Vorstand Winje beanspruchte gestern noch einmal eine zentrale Rolle bei der Neuordnung der ostdeutschen Stromwirtschaft. Ein neuer Konzern ohne Einbindung der Bewag wäre für jeden ein sehr riskantes Unternehmen. Schließlich versorge die Bewag knapp zwei Millionen Kunden in der Hauptstadt.
Dennoch sparten die Aktionäre gestern nicht mit Kritik an der Bewag – nicht nur wegen der ungeklärten Eignerstruktur. Eine Schande sei, wie sich der Kurs der Aktie entwickelt habe, schimpfte einer. Während der Kurs mancher Konkurrenten steige, dümpele der der Bewag vor sich hin.
Andere Aktionäre beklagten den massiven Personalabbau. „Das Ende der Fahnenstange ist längst erreicht“, sagte einer, Beifall erntend. Einen Lacher erzielte ein älterer Aktionär mit seiner Kritik: „Die orangenen Überschriften im Geschäftsbericht kann keiner lesen.“
RICHARD ROTHER
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