: Stockholm gegen „mehr“ EU
Schwedens Premier legt Programm für Ratspräsidentschaft vor. Die Osterweiterung steht ganz oben auf der Tagesordnung, die EU-Kommission soll weniger Macht haben
STOCKHOLM taz ■ Drei E’s sollen es sein, die Schweden in seiner Ratspräsidentschafts zu Herzensangelegenheiten machen will. Diese, so Ministerpräsident Göran Persson, der seinen EU-Fahrplan am Donnerstag vorstellte, seien „enlargement, employment, environement“. Ab 1. Januar wird wieder Englisch gesprochen in der EU, und Persson machte klar, dass dies nicht nur für die Sprache gilt. Schweden will nicht „mehr“ EU. Persson warnte vor „föderalistischen Irrwegen“, setzt auf eine engere Zusammenarbeit der Regierungen der Mitgliedsländer und einen verminderten Einfluss für die EU-Kommission.
Nizza habe gezeigt, dass nationale Interessen am schwersten wögen, wenn es um Macht-Verteilung gehe. Er wisse, so Persson, dass er sich bei Romano Prodi unbeliebt mache, doch für ihn liegen Gedanken an föderale Lösungen „in weiter, weiter Ferne“.
Viel näher sieht Persson die Einleitung der Osterweiterung. Die Verhandlungen sollen nicht nur bis Ende 2002 abgeschlossen werden: In Stockholm hält man es für denkbar, dass einige Länder bis zum Ende der schwedischen Präsidentschaft fertig verhandelt haben könnten. Die Regierungskonferenz im Juni 2001 in Göteborg soll nach Perssons Vorstellungen als Gipfel in die EU-Geschichte eingehen, der den Durchbruch für die Osterweiterung bringt. Die Türkei wird auf die Wartebank geschoben: Ihre Anstrengungen werde man „aufmerksam verfolgen“. Zentral sei „die Frage der Menschenrechte“.
In der Beschäftigungspolitik will Schweden „ambitiös und effektiv“ an die EU-Ratsversammlung im März in Lissabon anknüpfen. Was dies bedeuten soll, bleibt nebulös. Das Arbeitsprogramm betont das „nationale Beschlussrecht“, Stockholm will sich offenbar vor allem auf Vorschläge beschränken, wie der „wachsenden demographischen Problematik“ mit einem steigenden Anteil von Rentnern begegnet werden kann. In der Umweltpolitik will sich Schweden primär um Klima- und Chemikalienfragen kümmern. Umweltminister Kjell Larsson hatte in Nizza von den EU-Regierungschefs die Ermahnung mitbekommen, sich „unmittelbar“ um eine Neuauflage der Verhandlungen zum Kioto-Protokoll zu kümmern.
Überhaupt ist die Chiracs Liste der unerledigten Hausaufgaben lang. Finanzminister Bosse Ringholm soll die Steuerpardiese von der Karibik bis San Marino bewegen, Angaben zur Berechnung der Zinsabschlagssteuer von dort sparenden EU-BürgerInnen zu liefern. Justizministerin Brita Lejon hat ein dickes Paket rechtspolitischer Probleme geerbt. Dazu gehört auch die größere Offenheit der EU. Diese ist so kontrovers, dass sie schon aus dem Nizza-Schlussdokument herausgefallen war. Auch auf Perssons Arbeitsliste steht sie ganz am Ende. REINHARD WOLFF
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