: Pinochet, Shell und BSE
betr.: „Dramaturgie des Scheiterns“, taz vom 29. 12. 00
Nun wird sichtbar, was vorher vertuscht wurde. Als 1993 in England ein Bauer an der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit starb, in dessen Rinderherde BSE aufgetreten war, und dies zum ersten Todesfall wurde, für den ein Zusammenhang mit BSE diskutiert wurde, sagte ein deutscher Tierarzt, der in einem Schlachthof arbeitete: „Es gab eine Reihe von Rindern, bei denen die Diagnose nicht ganz klar war.“ (Stern 22/93) Seinen Namen wollte er jedoch nicht nennen. Wie gut er daran tat, zeigt der Fall der Tierärztin Margrit Herbst, die 1995 entlassen wurde, nachdem sie öffentlich gesagt hatte, ihr seien seit 1990 immer wieder Rinder mit BSE-verdächtigen Symptomen aufgefallen, sie hätte sich mit dieser Ansicht aber nicht gegen ihre Vorgesetzten durchsetzen können (taz 18. 4. 97).
1996 schrieb die Wissenschaftszeitschrift Nature, dass die Zahl der BSE-Fälle im kontinentalen Europa 2.000 betragen müsse statt der zugegebenen 50. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine Studie in einer britischen Tierärztezeitschrift: Danach konnten allein aus der Zahl der exportierten Tiere 1.600 BSE-Fälle für das übrige Europa hochgerechnet werden, davon würden, so hieß es, 243 auf die BRD entfallen. Bekannt wurden davon bei uns nur fünf (taz 25. 8. 97).
Horst Seehofer wurde 1997 von der EU gerügt, dass in der BRD die Kontrollgesetze bei der Einfuhr von Fleisch nicht eingehalten würden. EU-Inspekteure hätten festgestellt, dass Stempel fehlten, unleserlich oder gar gefälscht waren (eine Fleischladung aus Irland war als deutsch deklariert worden). Hunderte Tonnen Fleisch seien ohne Wissen des zuständigen Tierarztes umdeklariert worden (SZ 25. 9. 97).
Jetzt entschuldigen sich viele der in die Schusslinie geratenen Verantwortlichen. Aber das gehört mit zum Spiel, denn große Public-Relations-Firmen geben genaue Ratschläge für eine Schadensbegrenzung in solchen Fällen. Gemeint sind nicht Gesundheitsschäden, sondern Imageschäden und Vertrauensverluste von Käufern.
Die weltweit führende dieser Agenturen heißt Burson & Marsteller. Sie hat Diktatoren beraten (die von Chile, Argentinien und Indonesien), sie beriet Union Carbide nach dem Unfall in Bophal, Exxon nach dem Ölunfall und Shell nach den Hinrichtungen von Umweltaktivisten in Afrika. Diese Spitzenfirma arbeitet bereits seit Jahren für eine Fleisch-Kommission der britischen Regierung über BSE und hat 1994 einen Info-Ordner speziell für Deutschland zusammengestellt (Stichwort Bayer 1/98 und Presseinformation Greenpeace, Juni 1997).
Ist mit Hilfe solch fachlicher Beratung die Talsohle eines Skandals durchschritten, geht alles weiter wie gehabt und das nächste Desaster kommt bestimmt. LINDE PETERS, München
Alles war bereits bekannt. Die Füttermethoden, die Haltungsmethoden, die Verwendung von Gelatine in Jogurts, die Fleischmüllentsorgung per Currywurst – wer jetzt empört ist, dass die Politik dies oder jenes hätte früher machen sollen, der hat zwar Recht, belügt sich aber selber. Wer bis Anfang Dezember geglaubt hat, deutsches Rindfleisch aus dem Supermarkt sei sicher, dem sollte man wegen chronischer Naivität das Wahlrecht aberkennen oder den Führerschein, um es provokant auszudrücken.
Wie wäre es mit einer Biosteuer auf Fleisch aus Massentierhaltung zur Subventionierung von tier-, umwelt- und menschenschonender Landwirtschaft? 5 Mark pro Kilo ...
KNUD JAHNKE, Hamburg
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