EU in Luxemburg

Brüssel wird als Synonym für die Europäische Union verwendet, für Bürokratie, Zentralismus, Subventionsbetrug. Genau genommen aber ist Luxemburg die erste europäische Hauptstadt. In der Nacht vom 23. auf den 24. Juli 1952 konnten sich die Außenminister von Frankreich, Deutschland, Italien und der Beneluxländer nicht auf den Sitz der neu zu schaffenden europäischen Institutionen einigen: Lüttich, Saarbrücken, Straßburg oder doch lieber Turin? Die besten Nerven bewies Joseph Bech, der Vertreter Luxemburgs. Am Morgen um drei Uhr schlug er vor, in Luxemburg „sofort mit der Arbeit zu beginnen“, dann habe man Zeit, „in Ruhe“ über alles Weitere nachzudenken.

Die Staatseisenbahn des Großherzogtums musste umgehend ihr repräsentatives Gebäude an der Luxemburger Hauptstraße räumen. Die kommunistische Lokalzeitung wetterte vergeblich gegen die antisowjetische „Internationale der Kanonenhändler“. Unbeeindruckt nahm am 10. August 1952 die „Hohe Behörde“ der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl ihre Arbeit auf. Die Vorläuferin der heutigen EU-Kommission beschäftigte zunächst rund dreißig Funktionäre. Heute arbeiten in der Achtzigtausend-Einwohner-Stadt rund neuntausend EU-Beamte.

Die meisten von ihnen sind bei Dienststellen der Kommission und des Parlaments beschäftigt. Dessen Plenartagungen sind zwar in Straßburg und Brüssel – das Generalsekretariat des Parlaments ist aber in Luxemburg, nämlich in einem Hochhaus, das sich über dem Geburtshaus des französischen Außenministers und „EU-Gründervaters“ Robert Schuman erhebt. Hier landen die Briefe und Petitionen der EU-Bürger. Der Rat der Regierungschefs und Minister, das wichtigste EU-Organ, hat seinen Sitz in Brüssel, tagt aber im April, Juni und Oktober im Luxemburger „Europazentrum“. Dieses von Pierre Bohler erbaute „Hémicycle“, eine umgekehrte Pyramide, dürfte das bislang einzige EU-Gebäude sein, das Architekturkritiker interessieren könnte.

In dem gesichtslosen wie autogerechten „Europaviertel“ auf dem Kirchbergplateau über Luxemburg haben mehrere EU-Institutionen ihren Sitz: der Rechnungshof etwa und die Europäische Investitionsbank, die 1999 in über hundert Ländern tätig war und mehr als 31 Milliarden Euro bewegt hat. Der in einer Festung aus Stahl und rosa Granit untergebrachte Europäische Gerichtshof ist dagegen beliebter, als ihm selbst recht ist: Über 1.600 Verfahren sind im Moment anhängig, und es dauert im Schnitt 21 Monate, bis eines abgeschlossen wird. Während die europäischen Rechts- und Finanzdienste dem Technokratenimage der EU nahezu perfekt gerecht werden, sollen andere Institutionen für „Transparenz“ sorgen und so das „Demokratiedefizit“ der EU lindern: das statistische Amt Eurostat etwa und eben EUR-OP.

Die europäischen Institutionen sind ein Dschungel, aber es gibt Pfadfinder. In Deutschland hat die EU-Kommission fast zweihundert Informationsstellen eingerichtet, nämlich so genannte Info-Points Europe (an „Orten mit großem Publikumsverkehr“), Carrefours (in „ländlichen Gebieten“), EU-Dokumentationszentren (in der Regel in Universitätsbibliotheken) und Euro-Info-Centres (meist Industrie- und Handelskammern).

Im Internet helfen die Angebote von EUR-OP (www.eur-op.eu.int), von der Kommission (http://europa.eu.int/europedirect) und von der EU-Vertretung in Berlin (www.eu-kommission.de) weiter. Außerdem gibt es den Telefonservice „Europa direkt“ (08 00 1 85 04 00). M.E.