: Merkwürdige Veranstaltung
Nach dem stimmungslosen Finalturnier um den Continental-Cup suchen Europas Eishockeybosse weiter nach der idealen Form für einen Meisterpokal. Zürich siegt, München ohne Chance
aus Zürich THOMAS BECKER
Nichts gegen Walter Anderegg. Der Mann hat sich nichts zu Schulden kommen lassen, fährt seit Jahr und Tag im Züricher Hallenstadion während der Drittelpausen mit seiner Zamboni übers Eis und sorgt dafür, dass alles glatt geht. Anderegg ist Eismeister. Beim Finalturnier des Continental-Cup, dem einzigen europäischen Vereinswettbewerb, stand Anderegg nicht nur in den Pausen im Mittelpunkt: Am Samstag nahm er auch die Ehrung für den besten Spieler der Partie vor. „So was hab ich noch nie erlebt“, wunderte sich Boris Capla, Geschäftsführer des früh gescheiterten DEL-Meisters München Barons. Der Eismeister – als würde beim Champions-League-Finale die Trophäe vom Platzwart überreicht.
Der Continental-Cup ist eine merkwürdige Veranstaltung. Gedacht als Nachfolger für die mangels Attraktivität und Rentabilität eingestellte Europa-Liga, kämpft er nun mit ähnlichen Problemen. 48 Vereine bewarben sich um die Qualifikation für das Final-Four-Turnier, an dem neben dem DEL-Champion die Landesmeister aus der Schweiz (ZSC Lions), der Slowakei (Slovan Bratislava) und Großbritannien (London Knights) teilnahmen. München belegte nach einem 2:2 gegen Bratislava, einem 1:4 gegen Zürich und einem 1:4 gestern gegen London den letzten Rang.
Wie schon in den beiden Jahren zuvor siegte mit Zürich erneut eine Schweizer Mannschaft. Der Cup-Gewinn hat drei Folgen: 60.000 Franken mehr in der Kasse, der Briefkopf muss geändert werden und der zuvor kritisierte Larry Huras bleibt Trainer. Und sonst? Jubel, Stolz? Kaum. Vereinsmanager Simon Schenk sprach von einem „Zwischenschritt in Richtung Play-off“ – was zählt, ist die Liga. Da kommen im Schnitt 8.000 Zuschauer; Europas vermeintlich beste Teams wollten kaum mehr als 5.000 sehen. Die Partie München gegen Bratislava lockte 1.250 Fans in den „Tempel“ – Platz wäre für zehnmal so viele gewesen.
Überall in der Stadt hängen Plakate, die Konzerte, Reitturniere und Eisgalas im Hallenstadion ankündigen. Eishockey? Zwei Länderspiele im April. Vom europäischen Finale keine Spur. In der Halle wurden Continental-Cup-Trikots verkauft – in limitierter Auflage: 270 Stück. Doch selbst da waren am letzten Tag noch einige übrig. Verwunderlich auch das Verhalten von René Fasel, dem Präsidenten des Internationalen Eishockeyverbandes. Von einem „historischen Ereignis“ hatte er zuvor gesprochen, war aber während der drei geschichtsträchtigen Tage kaum länger als eine Stunde zu sehen. Auf einer Sitzung diskutierte man schon wieder über eine Alternative zum Continental-Cup: Sechs Teams aus den großen Eishockey-Nationen, eine Million Franken Preisgeld.
Auch Detlef Kornett, Europabeauftragter der Anschutz-Unternehmengruppe, der neben den München Barons auch Eisbären Berlin, Sparta Prag, London Knights und Servette Genf angehören, bekam nicht viel mit vom Abschneiden seiner Teams. In der Konzernzentrale in Los Angeles hatte Phil Anschutz, einer der reichsten Männer der Welt, ein Treffen anberaumt – da wird auf Nichtigkeiten wie ein Europacup-Finale keine Rücksicht genommen.
Dabei hätte Kornett einiges zu sehen bekommen: die Müdigkeit seiner Münchner Abteilung zum Beispiel. Sie spielt seit Wochen am Limit: zu viele Verletzte, zu kleiner Kader, um auf Dauer DEL-Niveau halten zu können. Nachdem am Ende der ersten, so erfolgreichen Barons-Saison ein fettes Minus in den Büchern stand, senkte Anschutz die Ausgaben für den Spielbetrieb, schickte sein Team zwecks PR-Arbeit aber zum Continental-Cup, was zu den 60 DEL-Vorrundenspielen einige hinzukommen ließ. Vom Halbfinale kehrten die Barons mit drei Verletzten heim. Verstärkung ist überfällig, bereits gefunden, trainiert seit einer Woche mit, ist aber noch Verhandlungssache: Zur Verpflichtung von Zarley Zalapski, „ZZ-Top“ genannter NHL-Verteidiger, fehlt das Placet von Geldgeber Anschutz.
Fast logisch, dass der Continental-Cup für die Barons mit einer Abfuhr enden musste. Kein Titel, kein Preisgeld, kein Renommee, dafür Schmähgesänge („Und ihr wollt deutscher Meister sein?“) und ein Blumenstrauß vom Altmeister. Die Spieler nahmen es gelassen: Dienstag, Freitag, Sonntag heißen in den nächsten Wochen die DEL-Termine.
Auch für Walter Anderegg geht es weiter wie gewohnt: Als er die Blumen los war, stieg er auf seine Zamboni und bügelte alles wieder so glatt, als hätte nie ein Continental-Cup stattgefunden.
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