Kanzlertainment

■ Politstar Schröder und Entertainer Gottschalk treffen sich im Bremer Rathaus zu Zigarre, Tee und Autogramm

„Wie hieß der Laden doch gleich?“, erkundigte sich Talkmaster Thomas Gottschalk etwas versonnen bei den Journalisten in der oberen Rathaushalle. „Güldenkammer!“, „Güldenkammer!“ schallte es zurück. Dann noch rasch ein Autogramm, und schon war das Goldene Buch der Stadt Bremen um einen prominenten Eintrag reicher.

Im Hintergrund – mit einem väterlichen Schmunzeln auf dem Gesicht: Gerhard Schröder.

Kein Zweifel: Politik und Entertainment sind absolut per Du miteinander. Könnte es für die Wahlkämpfe der Zukunft überhaupt einen besseren Einheizer geben? Wer sollte schon für mehr tosenden Applaus auf den sozialdemokratischen Parteikonventen sorgen können als der ZDF-Showmaster?

Dass ausgerechnet im entzückenden Bremer Rathaus über derartige Winkelzüge spekuliert wird, ist schierer Zufall. Schuld daran: das grassierende Wettfieber.

Mit der Ausrichtung der Gottschalk-Show in der Stadthalle und dem traditionsreichen Galadiner der Bremer Eiswette im Congress Centrum hat es die Hansestadt doppelt erwischt. Schröder hat als Ehrengast der Eiswette bis zu seiner Deutschland- und Bremenrede nachmittags noch einige Stunden Zeit, und auch Gottschalk muss erst um 20 Uhr ran. Also ab ins Rathaus, in die – wie heißt die noch? – Güldenkammer! Zum privaten Plausch. Denn der Kanzler und Gottschalk sind schließlich „alte Freunde“ (O-Ton Schröder).

Was sie und die Gastgeberin, die Bremer First Lady Luise Scherf, tatsächlich in diskreter Atmosphäre betütelten, darüber konnten die versammelten Pressevertreter aber nur spekulieren. Wie die taz später aus gut unterrichteten Kreisen erfuhr, ließ der „Genosse der Bosse“ den Showmaster an einer seiner Zigarren lutschen, und die brennen für gewöhnlich relativ langsam runter. „Über Politik, Wirtschaft und Kultur“ habe man sich unterhalten, erklärte Schröder danach. Statt reinem Wein schenkte Frau Scherf den Gästen dazu eine kräftige Ostfriesen-Mischung ein.

Für Fragen bleibt anschließend kaum Zeit: „Leute, ich muss noch zur Eiswette“, wird der Kanzler schnell ungeduldig. Und dabei wissen wir doch schon seit dem Dreikönigstag, und eigentlich auch schon seit Jahren und Jahrzehnten, dass die Weser „geit“ und nicht „steit“. Beim Festschmaus des Vereins „die Bremer Eiswette von 1829“ - Shakehands der Einflussreichen aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung, kanzlerische Grundsatzsätze zu mehr Sparsamkeit, mehr Arbeitsplätzen, mehr Zuwanderung und zum „gut positionierten“ Bremen – werden am Samstagabend trotzdem viele nützliche Informationen ausgetauscht. „Seilschaften werden dort nicht geknüpft“, verwahrt sich Senatssprecher Klaus Schloesser. „Freundschaften! Die Leute kommen als Geschäftspartner, und gehen als Freunde.“

Seine Doris musste Schröder allerdings zu Hause lassen, da nach dem traditionellen Ritus der Hanseaten keine Frauen bei dem Kohl-und-Pinkel-Essen zugelassen sind. Dafür wird dem Bundeskanzler vor seiner Festrede ein erlesener Rüdesheimer Klosterlay Riesling aus dem Bremer Ratskeller gereicht – mit „würzigem Aprikosenduft, aromatischer Fruchtfülle und prickelndem Säurespiel“. Das lockert auch die Zunge. Prost.

Michael Hollmann