piwik no script img
taz logo

die stimme der kritikBetr.: Bürger beobachtet Brummbrumm

Groteskes Theater mit Logensicht

Manchmal lehne ich mich auf eine Zigarettenlänge aus meinem Bürofenster, nichts tuend, nur umherschauend. 4. Stock Altbau, weit oben also, gute Rundumsicht auf den großen Platz unten. Und ich wünschte, ich wäre schon im Alter, wo Menschen dieses spannende Spannen so gerne machen mit dem Kissen unter den Ellenbogen und weise genug sind, das alles zu verstehen.

Das mit den Autos. Der Platz ist immer eng beparkt. Anrollen, Wegrollen, Herumrollen. Aus meiner Loge sehen die ein bis zwei Tonnen elegant geformter Materialverbund für mickrige 70 Kilo Transportgut noch riesiger aus, als sie eh schon sind. Selbst der Smart wirkt wie ein kleiner Dino. Dann das Anschleichen an die glücklich entdeckte Lücke. Reicht’s? Ja. Nein. Vielleicht.

Vorhang auf für großes Theater. Viele Helden treten auf. Die Hauptrolle hat der Scheiternde. Er versucht es vorwärts, bricht ab, gräbt sich halb von hinten ein, verfehlt die gewünschte Kurve und bricht nach dem zweiten deckungsgleich lächerlichen Versuch endgültig ab. Der sensible Darsteller erschrickt bei jedem schmerzenden Reifenkontakt mit dem Bordstein und entschwindet beschämt. Der Depp fährt die locker ausreichende Lücke an – und aus Angst vor Blamage nach kurzem Zögern weiter. Komisch: Alle schätzen ihre Dinos noch viel größer ein, als sie aussehen, als sie sind.

Hinten fehlt es komplett an Gefühl. Spätestens ab einem Meter Abstand nagt die Angst vor des Hintermannes Stoßstange. Der Korrekte stellt nach vollzogenem Abstellakt die Räder immer exakt gerade, weil es seinen Liebsten in Schrägstellung sonst über Gebühr schmerzt. Sein Gegenspieler, der Bösewicht, braust cowboyhaft schräg auf den Fußgängerweg. Er muss mit Pöbeleien rechnen, was ihn noch böser macht. Am liebsten ist mir der Narr: Mühebeladen windet er sich in die Lücke, bleibt aber unschön einen halben Meter vom Bordstein und versucht sich dann, erfolglos, hin- und herfahrend mit stets hektischen Bremstritten näherzuruckeln. Bis oben höre ich sein Seufzen: Ach, könnte man ein Automobil doch seitwärts lenken. Nur einmal.

In Zeitraffer sähe die Bühne aus wie ein Riesenpuzzle, bei dem ein trotziges Kind ständig falsche Teile einzufriemeln versucht. Ob man das mit 80 versteht? Haben die alle mit acht zu wenig mit Matchboxautos gespielt? Bestimmt, denke ich, sind die Motorhelden auf Autobahnen schon bei Tempo 130 viel souveräner als in der Rolle der Stehzeuglenker. Nur fehlt mir da die Sicht. BERND MÜLLENDER

Lesen gegen das Patriarchat

Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

taz zahl ich illustration
taz zahl ich

Lesen gegen das Patriarchat

Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – ohne Paywall. Das geht nur, weil sich viele Leser:innen freiwillig an der Finanzierung beteiligen und unseren kritischen Journalismus unterstützen. Sind Sie schon dabei? Unterstützen Sie jetzt die taz.