: Ausladende Mamas, doofe Nigger und Onkel Toms
Spike Lees wütende Mediensatire „Bamboozled“ brachte dem Regisseur in seiner Heimat USA unter anderem den Vorwurf des umgekehrten Rassismus ein
BERLIN taz ■ Ein Kind mit dicken roten Lippen steht grinsend in einer Baumwollplantage und hält ein Stück Wassermelone in den Händen. Die Tageszeitung New York Times weigerte sich, diese Anzeige für Spike Lees neuen Film zu drucken – die Redaktion fand sie zu rassistisch.
Im Grunde passt der Vorfall perfekt zu Lees Berlinale-Wettbewerbsbeitrag „Bamboozled“, einer Mediensatire über den latenten und offenen Rassismus in der US-amerikanischen Kulturindustrie. Lees digital gedrehter Film spielt mit der ironischen, provozierenden und affirmativen Verwendung rassistischer Stereotypen, die zum festen Bestandteil der Populärkultur geworden sind. Gleichzeitig zeigt er die Afroamerikaner als Mitproduzenten der Bilder, mit denen sie herabgesetzt werden.
In „Bamboozled“ kommt der schwarze TV-Produzent Pierre Delacroix (Damon Wayans) auf die Idee, in einer Fernsehshow alle rassistischen Klischees auf die Spitze zu treiben. Er engagiert zwei steppende und Witze reißende Streetrapper, stampft einen Baumwollplantagendekor mit Onkel Toms Hütten aus den Boden, und fertig ist „Man Tan: The New Millennium Minstrel Show“. Die Sendung wird ein Renner und gewinnt auch unter Teilen der black community schnell Kultstatus, erregt jedoch auch Missfallen bei diversen Hardcore-Rappern.
Ob Spike Lees fiktionale Fernsehcrew nun die avantgardistische Speerspitze im kritischen Umgang mit tradierten Rassismen ist oder auch nur ein weiteres Puzzlestückchen in dem von weißen beherrschten Bilderbusiness, lässt der Film offen. Am Ende profitiert jedenfalls nur einer von Delacroix’ Idee: der weiße Fernsehproduzent Dunwitty (Michael Rapaport), der ohnehin „mehr über Schwarze weiß als sie selbst“.
„Bamboozled“ ist einer jener typischen Thesenfilme von Spike Lee, in denen der Zorn über die rassistischen Verhältnisse zur argumentativen Einseitigkeit führt: Die Tatsache, dass die weiße Hauptigur des Films ein eingebildeter geldgeiler Volltrottel ist, brachte dem Regisseur in der US-Presse den Vorwurf ein, umgekehrten Rassismus zu betreiben. Dass es doch wieder nur die Schwarzen sind, die sich hier am Ende in einer plötzlichen Wendung zum Thriller gegenseitig umbringen, sorgte wiederum für Kritik aus den eigenen Reihen.
Trotzdem: „Bamboozled“ ist das zornigste, engagierteste Stück Kino seit langem. Es ist der von der Unmittelbarkeit der Videoästhetik noch verstärkte Wutanfall eines Mannes, den man fast schon als kurz vor der Pension stehenden elder statesman unter den schwarzen Regisseuren verbucht hatte.
Worum es Lee in „Bamboozled“ letztlich geht, wird in einer langen Montagesequenz deutlich, die seinen Film beschließt: eine Aneinanderreihung all der dicklippigen Butler, ausladenden Big Mamas, doofen Nigger, dudelnden Orchester und Onkel Toms, die die amerikanische Unterhaltungsindustrie von Anbeginn bevölkert haben.
Erst in dieser halb melancholischen, halb verzweifelten, halb aufgebrachten Anhäufung wird klar, wie sehr man sich an diese Bilder gewöhnt hat bzw. dass sie längst selbstverständliches „Kulturgut“ geworden sind.
Spike Lee prangert mit seinem neuen Film letztlich alle Bevölkerungsgruppen der USA als mitschuldig an und weiß selbst keinen Ausweg aus dem Status quo. Diese Mischung aus Wut und Hilflosigkeit macht seinen Film einerseits angreifbar, aber andererseits auch zutiefst sympathisch. KATJA NICODEMUS
„Bamboozled – It’s Showtime“. Regie: Spike Lee. USA 2000, 135 Min.
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