berlinalie: Prima Privileg
Neulingsstolz
Mitte der 80er-Jahre hatte ich mir nichts so sehr gewünscht, wie bei den Filmfestspielen akkreditiert zu sein. Inzwischen vergesse ich manchmal, dass es ein prima Privileg ist. In den ersten Jahren als Akkreditierter kam man sich auf der Berlinale eher außenseiterisch vor und war stolz, wenn einen stundenlang zugekokste Nonkonformisten zuquatschten oder zum Kiffen einluden, auch wenn es irgendwie verlogen war, denn man gehörte ja faktisch nicht mehr zum Volk vor den Kinogassen. Andererseits entgehen einem als akkreditiertem Kulturbourgeois auch die Freuden des gemeinen Filmfreundes. Man kann sich nicht allzu sehr nach den Filmen gehen lassen, da man ja schreiben muss, was man sich andererseits früher natürlich sehr gewünscht hat, denn da fand man, dass die kulturbourgeoisen Rezensenten die falschen Filme falsch besprochen hatten und man das selber besser hingekriegt hätte, und erst später lernte man, dass das ja leider auch nicht so ist. In der Werbung sagt man ja, die Berlinale sei die Zeit von Überschwang, Ausschweifung o. Ä.; für mich als freien Journalisten sind es die einzigen geordneten Wochen des Jahres. Danach erlischt die Mitgliedschaft in der Kulturbourgeoisie wieder. DK
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