: Patenten auf Gene sind kaum Grenzen gesetzt
Rechtlich ist es denkbar, dass Craig Venter ruhig im Lehnstuhl sitzt, während sein Sequenziercomputer für ein Patent nach dem anderen sorgt
BERLIN taz ■ Schon lange bevor das Humangenomprojekt (HGP) und sein Konkurrent, der Unternehmer Craig Venter, die Entschlüsselung des menschlichen Erbgutes meldeten, wurden menschliche Gene oder Genomsequenzen zur Patentierung angemeldet. „Seit den Achtzigerjahren hatten wir ungefähr 1.000 Patentanmeldungen in diesem Bereich“, berichtet Rainer Osterwalder, der Sprecher des Europäischen Patentamtes (EPA) in München. „Rund 400 Patente wurden erteilt. In den übrigen Fällen wurde der Antrag abgelehnt, nicht weiter verfolgt oder er befindet sich noch im Verfahren.“
Das EPA vergibt Patente, die – je nach Wunsch und Zahlungsbereitschaft des Antragsstellers – für mehrere europäische Staaten auf einmal gelten. Derzeit sind dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) zwanzig Staaten angeschlossen: die EU-Staaten plus Türkei, Zypern, Schweiz, Liechtenstein und Monaco.
Die Patentierung von menschlichen Genen war dabei noch nie verboten. Deshalb wurden schon in den Achtzigerjahren entsprechende Patentanträge genehmigt. Heikel waren damals weniger ethische Probleme als vielmehr die Frage, ob es sich bei der Entschlüsselung von Genen überhaupt um eine „Erfindung“ handelt.
Hierfür muss die neue Erkenntnis nämlich auch gewerblich anwendbar sein. Voraussetzung dafür ist bei Genen aber, dass nicht nur deren Formel, sondern auch ihre Funktion bekannt ist.
Europa war hier bisher deutlich strenger als die USA. Doch auch in den Staaten hat die Vorstellung, dass Craig Venter im Lehnstuhl sitzt, während seine Sequenziercomputer eine „Erfindung“ nach der anderen für ihn produzieren, zu einem Umdenken geführt. Erst Anfang dieses Jahres traten in den USA verschärfte Richtlinien in Kraft. Manche Beobachter glauben, dass sich die Anforderungen nun in den USA, Japan und Europa weitgehend angeglichen haben. Den USA fiel die Verschärfung vermutlich auch deshalb nicht schwer, weil sich US-Konzerne, die ihre Erfindungen auch in Europa schützen lassen wollen, ohnehin an das europäische Patentrecht halten müssen.
Die umstrittene EU-Biopatent-Richtlinie von 1998 hat für das Europäische Patentamt im Hinblick auf menschliche Gene wenig Änderungen gebracht. Es ist nun zwar klargestellt, dass das Klonen von Menschen oder die Schaffung von Mensch-Tier-Wesen nicht patentiert werden kann. Patente auf einzelne menschliche Gene sind aber nach wie vor möglich. Die Richtlinie wurde ihrem Inhalt nach deshalb auch ohne große Diskussion 1999 in die EPÜ-Ausführungsordnung übernommen.
Daneben ist es relativ unerheblich, dass die Richtlinie bisher erst in vier EU-Staaten (England, Irland, Dänemark, Finnland) in nationales Recht umgesetzt wurde. Relevant ist dies nur für Erfinder, die lediglich in einem Land ein Patent beantragen wollen. „Im Bereich der Biotechnologie ist das doch recht selten“, betont Vera Frosch, die Sprecherin des Deutschen Patentamtes. Die Diskussion im Bundestag, ob und wie die EU-Richtlinie in deutsches Recht überführt werden soll, hat daher vor allem symbolischen Charakter.
Wichtiger ist dagegen eine Klage der Niederlande gegen die EU-Richtlinie selbst, über die heute der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg verhandelt. Holland macht geltend, dass die Richtlinie nicht per Mehrheitsbeschluss hätte verabschiedet werden dürfen. Außerdem verstoße die Patentierung von menschlichem Leben gegen die „Würde des Menschen“. Eine Entscheidung wird in einigen Monaten fallen.
Diese hat allerdings keine direkten Auswirkungen auf die Arbeit des Europäischen Patentamtes, das eben keine EU-Einrichtung ist. Selbst wenn der EuGH die Richtlinie kassiert, würde sich an der EPÜ-Ausführungsordnung nichts ändern. Politisch allerdings wäre der Druck dann aber recht groß, auch im europäischen Rahmen neu zu verhandeln.
CHRISTIAN RATH
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