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Handelskrieg unter BSE-Deckmantel

Wegen angeblicher BSE-Gefahr hat Kanada ein Einfuhrverbot für Rindfleisch aus Brasilien verhängt. Hintergrund ist ein Streit um Subventionen für die Flugzeugindustrie. Unter dem Embargo leiden die Pläne für eine amerikanische Freihandelszone

Aus São Paulo GERHARD DILGER

Seit gestern weigern sich die Arbeiter in Brasiliens größtem Hafen Santos, kanadische Waren zu entladen. Das ist die jüngste Reaktion in einem Streit, der sich zum Handelskrieg zwischen Brasilien und Nordamerika auswachsen kann. Denn vor zwei Wochen hatte die kanadische Regierung angekündigt, die Einfuhr von brasilianischem Rindfleisch zu stoppen. Begründung: Es bestehe ein „theoretisches Risiko“, dass es BSE-infiziert sei.

Kanadas Vorwurf: Brasilien habe es versäumt, einen 1998 versandten Fragebogen zu dem Thema auszufüllen. Die USA und Mexiko, die zusammen mit Kanada die nordamerikanische Freihandelszone Nafta bilden, schlossen sich der Maßnahme an.

Kanada importierte im vergangenen Jahr nur Rindfleisch im Wert von 6 Millionen US-Dollar, davon 90 Prozent als Corned Beef. Die USA nahmen 15 Mal so viel ab. Doch noch schwerer als die direkten Exporteinbußen im Handel mit Nordamerika wiegt der Schaden, den der bisher gute Ruf des brasilianischen Fleischs erlitten hat. So verzichteten am Mittwoch auch Malaysia und Bosnien-Herzegowina bis auf weiteres auf den Import von Rindfleisch aus dem südamerikanischen Land. Gleichzeitig traf in Brasília eine Nafta-Kommission von sieben Lebensmittelinspektoren ein. Der kanandische Kommissionsvorsitzende räumte ein, nicht die in Brasilien geborenen Rinder seien das Problem. Vielmehr verlangt er Garantien dafür, dass keines der gut 4.300 Tiere, die in den Neunzigerjahren aus Frankreich und Deutschland eingeführt wurden, in Kanada gelandet sei.

Allgemein wird das Importverbot als jüngste Eskalation in einem lange schwelenden Handelskonflikt interpretiert, der mit Rindfleisch nichts zu tun hat. Der brasilianische Flugzeughersteller Embraer und das kanadische Unternehmen Bombardier sind erbitterte Rivalen auf dem Markt der Regionaljets. Beide Firmen werden seit Jahren von ihren Regierungen subventioniert. Doch die Entscheidungen der Welthandelsorganisation (WTO) richten sich vor allem gegen Brasilien. Im Dezember 2000 gestattete die WTO der kanadischen Regierung, in den nächsten sieben Jahren Strafzölle in Höhe von insgesamt 1,4 Milliarden Dollar auf brasilianische Importe zu erheben. Für Tim Plumptre von der kanadischen Bank of Nova Scotia ist Embraer ein gelungener Versuch, „eine Kapitalgüterindustrie zu entwickeln, so wie es IWF und Weltbank seit 30 Jahren predigen. Und dann versuchen die Industrieländer über die WTO, Brasilien auszuschalten.“

Letzte Woche legte der Kongress in Brasília alle bilateralen Abkommen auf Eis. Und Präsident Fernando Henrique Cardoso kündigte einen Handelskrieg an, sollte das Rindfleischembargo nicht bis Ende des Monats aufgehoben werden. Auch die bevorstehenden Verhandlungen über die geplante „Freihandelszone von Alaska bis Feuerland“, FTAA, zu denen sich die amerikanischen Staatsoberhäupter im April in Montreal treffen, dürften von diesem Konflikt überschattet werden.

Vielleicht, so hofft man in Brasilien, hat die jetzige Krise auch ihr Gutes. Die schleppenden und widersprüchlichen Reaktionen der Regierung Cardoso, so die Zeitung „Folha de São Paulo“, hätten gezeigt, dass sowohl die politische Führungsspitze als auch die Bürokratieschlecht auf die Globalisierung vorbereitet seien. Doch anstatt die „strategische Option“ einer einseitigen Liberalisierung des Außenhandels in den letzten zehn Jahren zu überdenken, flüchte man jetzt in einen emotionalen Nationalismus. Der Schriftsteller Luis Fernando Veríssimo schlägt vor, der „wahnsinnigen Kuh“ ein Denkmal zu errichten: Denn sie habe bei der Regierung zur unerhörten Einsicht geführt, dass sich „jahrelanges wirtschaftliches Vasallentum“ nicht auszahlt: „Länder wie Brasilien haben nur eine untergeordnete Funktion im globalisierten neoliberalen Paradies. Immer, wenn sie das vergessen, kriegen sie eins übergebraten.“

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