piwik no script img

Die Hauptstadt ist nicht am Ball

Seit Jahren wird versucht, am Gendarmenmarkt einen mondänen Berlin-Ball mit Logenplätzen und Prominenz als gesellschaftliches Hauptstadtereignis zu etablieren. Doch auch der diesjährige Ball fällt wegen mangelnden Interesses aus

von BARBARA BOLLWAHNDE PAEZ CASANOVA

Ein wirklich edler Abend sollte heute Abend im Konzerthaus am Gendarmenmarkt steigen: der „Berlin Ball“. Seit 1996 versuchen wechselnde Organisatoren, mit Flanierkarten, Logenplätzen bis zu 1.000 Mark, Starsängern wie Andrea Bocelli oder Juliette Greco und der Schirmherrschaft von Bundespräsidenten im klassizistischen Ambiente in Mitte ein gesellschaftliches Ereignis zu etablieren. Einen Ball, der den Berlinern, die Bälle des Handwerks, der Sportler oder der Gartenfreunde gewohnt sind, zeigen soll, was wahre Eleganz ist. Nur: Es will einfach nicht klappen.

Jetzt gaben die diesjährigen Organisatoren bekannt, dass der Ball ausfällt – wie schon in den vergangenen Jahren. Der Grund: Statt der erhofften 1.000 Eintrittskarten für Preise zwischen 350 und 1.000 Mark wurde nur die Hälfte verkauft. Außerdem hätten „hochkarätige, prominente Gäste“ kurzfristig abgesagt. Dazu gehört der nicht gerade als Partylöwe bekannte Bundespräsident Johannes Rau (SPD), der als Schirmherr firmieren sollte. „Leider fand der Ball nicht die Resonanz, die die Veranstalter sich erhofft hatten“, so die Organisatoren.

Da hat es auch nichts genützt, dieses Jahr extra lange vor dem Ende der Ballsaison im April zu laden.Vermeintliche Datumsprobleme wurden in den Anfangszeiten des „Berlin Ball“ zum Sündenbock gemacht. 1996 und 1997 fand er in der Walpurgisnacht statt. Zu den „Prominenten“ gehörten damals „Größen“ wie Showmaster Wolfgang Lippert oder der ehemalige Präsident des Abgeordnetenhauses, Herwig Haase, der auch in seiner politischen Laufbahn kaum einen Fettnapf ausließ. Freikartenempfänger mussten allerdings dafür sorgen, dass sich die zahlenden Gäste nicht einsam fühlten. Dass die Prominenz ausblieb, wurde auf das verlängerte Wochenende über den 1. Mai und die „allgemeine wirtschaftliche Situation“ geschoben – die wirkliche Promis nur aus den Nachrichten kennen dürften.

Nach dreijähriger Pause sollte dieses Jahr ein neuer Versuch gewagt werden – schließlich sind Bundespolitiker und Spitzenmanager längst heimisch an der Spree. Doch weder der angekündigte Smoking- oder Frack-zwang noch eine neunjährige russische Wunderkind-Pianistin halfen. Blieb der Karneval als Sündenbock: „Aus den Karnevalshochburgen können wir an diesem Wochenende keine Gäste nach Berlin locken“, begründet ein Organisator den Flop.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen