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Mehr Wettbewerb wagen!

Eine Studie der TU Berlin kommt zu dem Schluss, dass der Wettbewerb verschiedener Entsorgungsunternehmen die gelbe Tonne billiger machen würde. Doch dazu müsste die Verpackungsverordnung geändert werden

von PIA TEKATH

Unglaublich, aber wahr: Seit zehn Jahren bewacht Freundin gelbe Tonne unsere Hinterhöfe. Wir füttern sie fleißig mit allem, was wir nicht mehr brauchen – größtenteils Plastik, sperrige Umverpackungen, Erbsen-Dosen. Und sie trägt uns nichts nach. Plötzlich ist sie einfach so, wie durch Zauberhand, wieder leer und gefräßig. Der Müll ist dann dort, wo auch die ganzen anderen Sachen mit dem grünen Punkt sind. Ist ja auch egal. Doch dass Freundin Tonne das alles ganz und gar nicht umsonst macht, merkt man zumeist erst bei einem Blick auf die unübersichtliche Nebenkostenabrechnung – die kleine Gelbe kostet uns vier Milliarden Mark im Jahr. Diese vier Millionen Mark bekommt das Duale System Deutschland (DSD). Bislang kommen alle gelben Tonnen vom DSD, so wie im Prinzip alle Briefe von der gelben Post kommen.

Ginge es nach Professor Hans-Jürgen Ewers von der Technischen Universität Berlin (TUB), könnte es in Zukunft auch mehrere Anbieter für die Recycling-Tonne geben. Gemeinsam mit seinen Mitarbeitern hat der Professor, der bis Ende vergangenen Jahres Mitglied im Sachverständigenrat für Umweltfragen war, beim Würzburger Verpackungsforum in Februar seine Studie zum Wettbewerb in der dualen Abfalllentsorgung vorgestellt. Das Team um Professor Ewers untersuchte zunächst, welchen Spielraum die Verpackungsverordnung für mehrere Anbieter lässt. Dabei fanden die Forscher des Fachgebietes Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik heraus, dass aufgrund des engen Verordnungskorsetts auf kurze Sicht nur eine gemeinsame Nutzung der vorhandenen gelben Tonnen durch mehrere Duale-System-Betreiber möglich sein könne. In wenigen Jahren, heißt es von Seiten der TUB-Pressestelle, könne sich aber eine Situation entwickeln, in der die Betreiber um die Entsorgung jedes einzelnen Grundstücks konkurrieren. Das würde bedeuten, dass die Grundstücksbesitzer und Haushalte allein entscheiden könnten, welchem der Entsorgungssysteme sie sich anschließen. Der Haken: Die Konkurrenz funktioniert laut Studie nur in größeren Städten ab 250.000 Einwohner. In kleineren Städten droht ein „aggressiver Verdrängungswettbewerb“. Dem könne man nur entgehen, indem man das gesamte Stadtgebiet unter den Entsorgern aufteilt.

„Unter dem Aspekt des Wettbewerbs ist die Verpackungsverordnung eine glatte Fehlkonstruktion“, meint Professor Ewers. „Wer den Wettbewerb wirklich will, muss die Verordnungen ändern.“ Sein Projektteam hat dazu konkrete Vorschläge entwickelt. Am weitesten reicht die Idee, nach britischem Vorbild einen Handel mit Verwertungsnachweisen auch in Deutschland zu etablieren, der das bisherige System nachhaltig verändern würde. Hersteller und Händler könnten dann auf dem freien Markt Entsorgungsnachweise kaufen und müssten sich nicht mehr fest an einen einzigen Systembetreiber binden.

Das Forschungsteam hat nämlich herausgefunden, dass es sich bei der dualen Entsorgung nicht um ein natürliches Monopol handelt, bei dem der Markt am kostengünstigsten nur von einem Anbieter bedient wird. Im Gegenteil: Die Gutachter fanden Anhaltspunkte, dass sich die Kosten bei der dualen Entsorgung bei mehr Wettbewerb um 25 bis sogar 50 Prozent reduzieren lassen könnten. Auftraggeber der umfangreichen Studie ist die Landbell AG für Rückholsysteme in Mainz, der bisher einzige Konkurrent des DSD. Die Landbell AG hat aufgrund der Studie zunächst die Zulassung als Systembetreiber in Hessen beantragt. Die Kölner Duales System Deutschland AG ist gerade dabei, die Studie auszuwerten. Vor Abschluss der Analyse ist man in Köln zu keinem Kommentar bereit. Vielleicht können die Hessen sich also bald schon über eine niedrigere Nebenkostenrechnung freuen.

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