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Pennäler für Atomausstieg

Erste Schülerdemonstration gegen die Castor-Transporte verlief etwas nasskalt. Nur 250 Teilnehmer: Ihre Lehrer machten blau, Randale fand nicht statt, und die meisten Polizisten konnten wieder gehen

von BERT SCHULZ

Der Aufwand war premierenwürdig: Mit 300 Beamten und fast sämtlichen Extras ihres Fuhrparks war die Polizei gestern Nachmittag angerückt, um die erste Anti-Castor-Demo auf Berliner Boden angemessen zu begleiten. Man befürchtete wohl Schlimmeres nach den Anschlägen dieser Woche.

Auch für die beiden Phil(l)ip(p)s (einer mit zwei ‚l‘ und einem ‚p‘, der andere umgekehrt) war die Protestveranstaltung eine Premiere: Die beiden Siebtklässler kamen extra aus Köpenick zum Kleistpark, um an der Schülerdemonstration teilzunehmen. Denn schließlich, so Phillip, seien die Atommülltransporte zu gefährlich, und, so Philipp, „gibt es bessere Energien“, die man nutzen könne.

Die beiden Realschüler gehörten zu den jüngsten der laut Organisatoren 250 Teilnehmer, die vom Kleistpark zum Potsdamer Platz zogen. Deutlich weniger, als die Mitveranstalter, die Mitglieder der Anti-Castor-AG der Sophie-Scholl-Gesamtschule, erwartet hatten. „Immerhin ein Anfang“, meinte einer, schließlich werden in der kommenden Woche weitere Veranstaltungen stattfinden.

Enttäuscht waren die Organisatoren auch darüber, dass sich bei der überwiegend von Schülern besuchten Demonstration keiner ihrer Lehrer blicken ließ. Die seien natürlich eingeladen worden, sagte einer von ihnen. Ein Lehrer habe ihm mit der Begründung abgesagt, dass er nur komme, wenn viele kommen, fügt der Schüler kopfschüttelnd hinzu.

Keiner der Organisatoren wollte übrigens seinen Namen nennen: Das sei zu gefährlich, so die überwiegende Meinung. Vielleicht lag es an der Polizeipräsenz, die angesichts der ausgebliebenen Massen aber noch vor Beginn deutlich reduziert wurde. Lautstark wurde die Demo trotzdem: Mit „Konsens ist Nonsens“-Rufen und Punk- und HipHop-Musik ging’s Richtung Potsdamer Platz. Die Transparente forderten ganz klassisch den „sofortigen Atomausstieg“ und, dem Zeitgeist angepasst, „Widerstand überall – statt nazionale Ökologie“. Unterwegs wurden hier und dort noch schnell ein Paar Plakate an Masten und Telefonzellen geklebt – die Stimmung war trotz nasskaltem Wetter gut.

Und zufrieden waren dann schlussendlich auch alle. Die Organisatoren freuten sich, dass die Menschen im Wendland und an der Castorstrecke erfahren, dass sie selbst im fernen Preußen moralisch unterstützt werden. Und die Polizei hatte keine besonderen Vorkommnisse zu vermelden: Am Bahn-Tower sei die Demonstration ohne Glasbruch friedlich zu Ende gegangen. Wie drückte es ein Beamter aus: „Hier ging es nur um die Aussagen.“

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