: Was ist nur mit Bufflig los?
Vermutlich erster Fall von Baumwoll-BSE in Berlin. Ein Betroffener berichtet
Ja, ja, ich hätte es wissen müssen. Doch als ich Bufflig im Spandauer Ikea sah, war ich wie geblendet. Ein gutes Tier, ein braves Tier. So stark, so mächtig. Zwei prächtige Hörner, ein neckischer kleiner Schwanz und vier tapsige Hufe. Innen drin zwei Luftkissen, zehn Jahre Garantie. Und diese großen, treuen Augen. Dazu so billig. Runtergesetzt von 89 auf bloße 25 Mark. Ich musste ihn einfach haben. Dominique hatte mich noch gewarnt. „Bei dem Preis kann was nicht stimmen.“ Aber ich wusste es mal wieder besser: „Was soll denn bei einem 1 a Sitzbüffel, wie Bufflig einer ist, schon groß passieren?“ Ach, hätte ich doch auf sie gehört!
Am Anfang ging ja alles noch gut. Sofort baute ich ihn zusammen und gab, wie in der Bauanleitung gefordert, seinen Luftkissen ordentlich den Föhn zu schmecken. Stolz blähte sich mein Bufflig zu voller Größe. Ich schraubte fix die Luftfüllstutzen zu, packte den wilden Büffel bei den Hörnern und begann ihn einzureiten. Einmal vom Sofa zum Lenin-Denkmal in der Küche und zurück. Verdammt, war das ein Ritt!
Von nun an schien mir mein Leben besser und gleich fünfmal interessanter. Kamen Frauen zu Besuch, stürzten sie sich gleich auf meinen guten Bufflig. Kathrin, Kirsten und Kerstin kraulten entzückt das weiche Fell zwischen den Hörnern, kieksten: „Hey, wie knuffig“, und begannen stante pede, sich auf ihm zu räkeln. „Und schau ihm erst mal in die treuen Augen.“ – „Augen? Wo?“ Tatsächlich. Buffligs Augen waren weg, und auch das breite Maul war gleich mit verschwunden.
O je, die Maul- und Augenseuche! Hatte es das gute Tier erwischt? Ganz ausgeschlossen schien es nicht, schließlich ist auch ein Sitzkissenbüffel nichts weiter als ein Paarhufer. Ich aber blieb blind, wollte von Desinfektion, Quarantäne, Keulung ganz und gar nichts wissen.
So kam es, wie es kommen musste. Von Tag zu Tag wurde mein einst so starker Bufflig schlapp und schlapper. Unsere heiß geliebten Ausritte wurden kürzer. Für die zwei Meter zum Charlie-Manson-Schrein neben dem Fernseher brauchte mein Büffel bald geschlagene vier Stunden. Jetzt machte ich mir doch ernsthaft Sorgen.
Ich schlief schlecht, denn in der Nacht hörte ich den guten Bufflig ab und an ganz leise seufzen. „Pffft. Pffft.“ Mensch, das waren doch keine MAS-Symptome (Maul-und Augenseuche). Das war doch eindeutig BSE (Bufflig-Saft-Entweichung)! Und ist das nicht hochgradig ansteckend? Mein Gott, die Räkel-Frauen! Nicht auszudenken, wenn aus ihnen auch der Saft entwiche.
Gleich am nächsten Morgen rief ich tief beunruhigt bei Ikea an. Herr D. im Callcenter tat zwar sehr freundlich, doch er wollte – oder durfte? – mir nicht weiterhelfen. Vom Sitzkissenbüffel Bufflig hatte er noch nie gehört. Aha, das roch nach Vertuschen. Nicht mit mir. „Die Artikelnummer lautet: 900.114.19!“ – „Tatsächlich. Ja. Das ist leider aus dem Sortiment gegangen. Letzten Monat.“ Und warum? „Das wird in Schweden entschieden. Das ist leider nicht nachzuvollziehen, warum.“ Soso. Mit BSE hatte das nichts zu tun? „Nein, nein!“ Ich gab mich nicht zufrieden, hatte da so einen Verdacht: „Sind da vielleicht Teile vom echten Büffel mit dabei?“ – „Da gucke ich noch mal genau nach. 100% Baumwolle, Acryl, Polyester, Polyester-Faser. Nein. Das ist alles nur Kunststoff und Baumwolle.“ Na super! Mein Bufflig hatte Baumwoll- oder Polyester-BSE.
Das also war es. Selbstverständlich waren die Knäckebrotfresser längst im Bilde. Deshalb war der Bufflig so spottbillig. Nur raus mit den verseuchten Viechern, das war die Devise bei Ikea. Und dann: Nach uns die Sintflut. Abwiegeln. Zeugen mundtot machen. Nachrichtensperre. Atomkrieg. Alles wie gehabt.
Am nächsten Tag ein letztes jämmerliches „Pffft“, und mein treuer Bufflig war endgültig hinüber. Auf dem Klaus-Kinski-Altar im Schlafzimmer verbrannte ich seine schlaffe Hülle. Zwei einst so prächtige Hörner, vier tapsige Hufe, einen neckischen Schwanz. Und die Luftkissen, zehn Jahre Garantie. Ikea führt seit kurzem nur noch aufblasbare Hasen, Katzen oder Hunde. Und von Kathrin, Kirsten und Kerstin habe ich lange nichts mehr gehört. Ehrlich gesagt: Ich traue mich auch nicht, sie anzurufen. CHRISTIAN Y. SCHMIDT
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