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Noch viel mehr Atommüll

betr.: „Die Gnade der weiten Entfernung“, taz vom 25. 4. 01

In ganz einfachen Worten: Sie schreiben ungeprüft den Quatsch, den die Betreiber von Sellafield absondern: „... dass lediglich drei Prozent des Brennstoffs zu Atommüll werden und der Rest wieder verwertet werden kann“. Daher noch einmal für alle zum Mitlesen und „Wiederverwerten“: Kernbrennstäbe bestehen aus Stahlrohren, in denen sich die so genannten Uran-Pellets befinden. Das Uran besteht zu ca. 99 Prozent aus nicht spaltbaren und zu ca. 1 Prozent aus spaltbaren Anteilen. Damit eine Kettenreaktion in Gang kommt, muss das Uran angereichert werden, das heißt, der Anteil der spaltbaren Isotope muss erhöht werden. Anreicherung ist der Vorgang, durch den der Anteil eines bestimmten Isotops in einem Element vergrößert wird. Von angereichertem Uran wird gesprochen, wenn der Prozentsatz des spaltbaren Isotops U-235 über den Gehalt von 0,7205 Prozent des Natururans hinaus gesteigert ist.

Ein Kernbrennstab ist abgebrannt, wenn alle spaltbaren Anteile aufgebraucht sind. Ein abgebrannter Kernbrennstab besteht dann aus 1 Prozent Plutonium, 3 Prozent sonstigen radioaktiven Spaltprodukten und 96 Prozent nicht mehr spaltbarem Uran.

Bei der Wiederaufarbeitung werden diese Anteile durch einen chemischen Prozess getrennt und die BNFL ist also stolz darauf, dass diese 3 Prozent Spaltprodukte eliminiert werden können. Diese hochradioaktive Chemiebrühe ist Atommüll und sie wird derzeit nur in La Hague in Glaskokillen eingeschweißt und ist natürlich auch noch thermisch aktiv. Der Rest könne nun wiederverwertet werden, sagt die BNFL. Das ist aber eine Aussage, die nur auf dem Papier steht. Denn wir haben jetzt pro abgebrannten Brennstab 1 Prozent Plutonium, das derzeit noch überhaupt keine Verwendung erfährt, da die MOX-Produktion in Sellafield eingestellt wurde. Selbst als die Herstellung von MOX noch lief, wurden in deutschen AKWs kaum diese teueren Kernbrennstäbe eingesetzt, da das Sicherheitsrisiko wesentlich höher ist als bei herkömmlichen Brennstäben. In England werden keine MOX-Stäbe verwendet. Dieses Plutonium fällt nun an und liegt in Sellafield herum und muss irgendwann wieder nach Deutschland, ist zu nix zu gebrauchen (außer vielleicht für Atomwaffen), sondern nur gefährlich radioaktiv strahlend und giftig und muss daher endgelagert werden.

Und dann bleibt noch das abgebrannte Uran übrig. Damit es wieder einsatzfähig wird, muss es erst wieder angereichert werden. Daher ist dieses Uran als Brennstab natürlich viel teurer als das im Bergbau gewonnene Uran, da darin ja schon ein gewisser Anteil von spaltbaren Isotopen vorhanden ist. Daher benutzen die AKW-Betreiber auch viel lieber „frisches“ Uran, auch aus Kostengründen, was sicher betriebswirtschaftlich Sinn macht. Damit bleiben wir, also die Gesellschaft, auch auf diesem Uran sitzen, es ist Atommüll und muss irgendwann entsorgt werden.

Zu allem kommen nun noch Gerätschaften, Materialien, Flüssigkeiten, die bei diesem „Wiederaufbereitungsprozess“ mit den strahlenden abgebrannten Brennelementen in Berührung gekommen sind. Das ist dann zwar zum Teil nur schwach radioaktiv strahlendes Material, kann aber auch nicht mehr in normalen Produktionsprozessen verwendet werden und muss entsorgt werden – durch Verbrennung(!) oder Endlagerung. Es ist also alles Atommüll und es ist auch noch viel mehr geworden!

Ganz vergessen wird, dass hier mit dem aus Uran gewonnenen „sauberen Atomstrom“ geworben wird, die Abbauländer auf den Umweltproblemen des Uranbergbaus aber sitzen bleiben. Die an vielen Orten betroffenen UreinwohnerInnen kämpfen in den Abbauländern verzweifelt gegen die massive Ausweitung der Uranabbau-Industrie. HANS-J. NAGEL, Radolfzell

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die veröffentlichten LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.

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