: Schönefeld: Ein Anflug von Protest
Rund 8.000 Menschen demonstrieren im Umland gegen den geplanten Großflughafen in Schönefeld. Airportgegner kündigen einen Antrag auf eine einstweilige Verfügung an. Sie wollen damit die Anhörung im Rangsdorfer Seebad-Casino stoppen
von RICHARD ROTHER
Die Bürgerinitiative gegen den Großflughafen Schönefeld verstärkt ihren Druck gegen das Milliardenprojekt. An einer vom Bürgerverein Brandenburg-Berlin (BVBB) organisierten Menschenkette nahmen am Sonntag nach Angaben der Veranstalter rund 8.000 Personen teil. Unter dem Motto „Schönefeld – nicht mit uns“ demonstrierten damit etwa viermal mehr Menschen gegen den Airport im Südosten Berlins als ursprünglich erwartet – von Massenprotesten wie etwa gegen die Startbahn West in Frankfurt ist der BVBB allerdings noch weit entfernt.
Darüber hinaus versuchen die Flughafengegner, den Planern das Leben mit juristischen Spitzfindigkeiten schwer zu machen. Der BVBB-Geschäftsführer und Bürgermeister der Gemeinde Diedersdorf, Ferdi Breidbach (CDU), kündigte einen Antrag auf eine einstweilige Verfügung gegen die Fortsetzung der Flughafenanhörung im Rangsdorfer Seebad-Casino an.
Grund für die Einschaltung der Justiz: Die Anhörung finde in einem „Schwarzbau“ statt, so Breidbach. Der Bauantrag sei nicht abschließend bearbeitet worden. Die augenscheinlich akkurat ausgebauten Räume in dem noblen Etablissement waren vom zuständigen Landesbauamt angemietet worden. Breidbachs Kritik: „Eine Behörde, die die Rechtmäßigkeit des Flughafenbaus prüfen soll, bemerkt noch nicht einmal die fehlende Baugenehmigung.“
Zudem sind nach Ansicht Breidbachs „schwerwiegende Verfahrensfehler“ bei der Anhörung aufgetreten. So seien 20 zum Verfahren gehörende Aktenordner nicht öffentlich ausgelegt worden. Die Fehler könnten dazu führen, dass das Bundesverwaltungsgericht den Planfeststellungsbescheid für den Flughafen kassiert.
Der Planfeststellungsbeschluss soll nach dem Ende der Anhörung im nächsten Jahr gefällt werden. Dann ist in einer Gerichtsinstanz Klage gegen das Projekt möglich – dieses Verfahren dauert etwa ein Jahr. 2003 soll mit dem Ausbau des Flughafen Schönefeld begonnen werden, 2007 soll der neue Großflughafen Berlin Brandenburg International (BBI) in Betrieb gehen und die innerstädtischen Flughäfen Tempelhof und Tegel ersetzen.
Der exponierte Flughafengegner Ferdi Breidbach ist indes selbst in die Schusslinie geraten. Die Diedersdorfer Bürger waren gestern dazu aufgerufen, über einen Antrag auf Abwahl des Bürgermeisters zu entscheiden. Mehrere Gemeinderatsmitglieder werfen Breidbach fehlende Bürgernähe sowie eine praktisch unmögliche Zusammenarbeit zwischen dem Gemeinderat und dem Bürgermeister vor. „Wir werden gar nicht richtig informiert, und Bürgersprechstunden finden nur unregelmäßig statt“, kritisierte Gemeinderatsmitglied Christine Blankenburg gestern. Breidbachs kritische Haltung gegenüber dem Flughafen stoße allerdings auf Zustimmung.
Der Gemeinderat will Breidbach vorschlagen, auch nach einer möglichen Abwahl eine Art Flughafenbeauftragter des Ortes zu bleiben. Ein Ergebnis der Wahl lag bis Redaktionsschluss nicht vor, Blankenburg rechnete gestern nachmittag fest mit einer Abwahl Breidbachs.
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