Blasse Hilflosigkeiten

■ Muriel Baders „La folie du monde triomphe“ auf Kampnagel

Hätten sie bloß nicht getanzt. Wären sie doch einfach nur voreinander stehen geblieben, in starrer, stolzer Haltung, mit flackerndem Blick und bebendem Atem, während die Musik zum Tango aufspielt. Aber Muriel Bader will vom Tanz nicht lassen und verläppert die eingangs aufgebaute Strenge mit unbeholfenen Schrittchen am Arm von Partner Mario Paulo Nunes Inacio, raubt dieser bebilderten Lesung den letzten Rest an atmosphärischer Spannung.

La folie du monde triomphe – das Verrückte der Menschheit wird siegen – meint die Schweizer Choreografin Muriel Bader im Titel ihres Tanztheaterstücks, das auf Kampnagel Premiere hatte. Bis dahin muss sie aber noch mit jeder Menge wohl arrangierter Klischees aufräumen. Es geht um die Liebe. Marguerite Duras' Erzählung Der Mann im Flur stand Pate. Und die Schauspielerin Annette Uhlen deklamiert den Text, in dem eine Frau eine erotische Begegnung zwischen einer anderen Frau und einem Mann beobachtet. Vielleicht sieht sie auch sich selbst in ihrer Lust, Begierde und fast masochistischen Unterwerfung, die sie mit sezierender Schärfe dokumentiert.

Auf der Bühne jedenfalls befinden sich zwei gestandene Frauen und ein schmächtiger junger Mann. Manchmal liegt er da wie ein verletztes Tier. Und seine Angriffe auf die üppige Weiblichkeit wirken wenig überzeugend. Wie ein lästiges Insekt schüttelt Uhlen ihn einfach ab. Wie sie da über ihm steht, die Beine breit in den Boden gestemmt, ist es wohl eher sie, die hier zu bestimmen hat. Bader, die schweigende Frau in dieser vermeintlichen Menage à trois, lässt sich noch die eine oder andere kuschelromantische Verschlingung gefallen, mit denen hilflos der Text illustriert wird.

Flankiert werden die beiden Körperstudien von riesenhaften Diaprojektionen, die ausschnitthaft die Posen nachstellen: Ein behaarter Männerbauch, um den sich kunstvoll eine beringte weibliche Hand legt. Weibliche Haarmähnen, unter denen sich das Gesicht in verschränkte Arme gräbt. Die Gefahr des sich Verlierens, die Duras beschreibt, wird auf der Bühne ängstlich umgangen. Gleichzeitig herrscht Unfähigkeit zur Distanz. Verhuscht bewegen sich Bader und Inacio, wenn sie sich nicht gerade an bekannten Mustern festhalten.

Mag man anfangs noch an eine Reanimation des Tanztheaters der 80er glauben, bleibt am Ende kaum mehr als ein belangloses und recht kunstgewerbliches Recycling, irritierend allerdings in seiner hoffnungslosen Unschlüssigkeit. Ein paar Skizzen nur, die nach 40 Minuten unvermittelt auslaufen.

Irmela Kästner

Nächste Vorstellungen: 11.+13.5., 19.30 Uhr, 12.5., 21 Uhr, Kampnagel, k2