piwik no script img

1. Mai in Kreuzberg

betr.: „Schlachtfest in Kreuzberg“ u. a., taz vom 2. 5. 01

Bei den diesjährigen Ereignissen um die linken 1.-Mai-Demonstrationen hat Innensenator Werthebach von vornherein auf Konfrontation gesetzt. Anders ist das Verbot einer angemeldeten Demonstration nicht zu verstehen. Zusätzlich wurde über Berlin ein martialisches Polizeiaufgebot von 9.000 Beamten zusammengezogen. [...] Ganze Stadtbezirke wurden abgeriegelt. Fast im gesamten Gebiet von Kreuzberg konnte niemand am Nachmittag des 1. Mai einfahren. Permanent kreisten Hubschrauber über der Stadt und fuhren Polizeimannschaftswagen durch die Straßen vieler Bezirke. [...] Auf der Mai-Demonstration in Kreuzberg sollte offensichtlich durch die vorsätzliche Reizung der zum größten Teil sehr jungen Demo-Teilnehmer planmäßig Gewalt zum Ausbrechen gebracht werden. Damit wollten offensichtlich interessierte Kreise eine Stimmung für die Einschränkung des Demonstrationsrechts schaffen. Nach dem Rücktritt von Herrn Landowsky ist der Rausschmiss des Innensenators, der offensichtlich Probleme mit der Anerkennung von Bürgerrechten hat, und des Polizeipräsidenten überfällig. Auch Herr Diepgen muss gefragt werden, ob er die Verantwortung für die verfehlte Sicherheitspolitik tragen kann. WULF-HOLGER ARNDT

[...]Ich kann mich dunkel erinnern, als in den achtziger Jahren die Polizei das erste Mal wagte Demonstranten in Hamburg einzukesseln, was das für einen Aufschrei gab. Und nun lässt Herr Werthebach einfach so alle Anwesenden auf dem Mariannenplatz (egal ob Steinewerfer, Demonstrant, Zuschauer oder sonst was) stundenlang einkesseln und schließlich verhaften. Ich kann mich da auch noch dunkel erinnern, dass die Polizei verpflichtet ist, die Anwesenden dreimal auf dem Umstand hinzuweisen, dass sie sich auf einer „illegalen“ Veranstaltung befinden und diese aufgelöst werden wird. Nichts dergleichen fand auf dem Mariannenplatz statt. Dies ist für mich eine nicht hinnehmbare Verrohung der Sitten seitens der Polizei.

Es vermittelt mir zumindest kein Gefühl der Sicherheit, wenn 9.000 bis an die Zähne bewaffnete Polizisten in Berlin ihr Unwesen treiben und es dabei nicht mal mehr nötig haben, sich an gegebene Gesetze zu halten. Ich fühle mich dadurch persönlich bedroht und unrechtmäßig in meiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Was soll als nächstes kommen? PATRICK HEEREN

Dank an nichtberliner Polizisten

1. Mai, 18.15 Uhr, Mariannenplatz. Das Fest ist in vollem Gange. Ich habe an einem Bierstand ein Bier bestellt, als plötzlich Polizisten auf den Platz stürmen. Und mein Becher ist noch fast voll, als der gesamte Stand, vor dem ich noch stehe, durch den gezielten Strahl eines Wasserwerfers beiseite gefegt wird.

Die Augen brennen von der dem Wasser zugesetzten Chemikalie und ich bin klatschnass. Die Bierlaune ist verdorben. Ich will den Platz verlassen. Da rufen mir ebenso Nasse zu: „Ey, Alter, hau nicht ab, es geht doch erst los!“ Schlagartig wird mir klar, dass ich mich durch mein Äußeres nicht von ihnen unterscheide. Wie soll ich an den Polizisten vorbeikommen, die den Platz abgeriegelt haben?

Ich probiere es mit der Wahrheit: „Ich sehe nur so aus, weil Ihre Kollegen den ganzen Bierstand mit dem Wasserwerfer weggeblasen haben, ich wollte eigentlich nur ein Bier trinken“, sage ich zum Beamten, der sich mir entgegenstellt. Er versteht wohl nicht alles, tritt aber zur Seite und sagt zu seinem Kollegen: „Den können wir durchlassen, der hat sich nur sein Bier über die Sachen geschüttet.“ Es war in Hochdeutsch gesprochen, dennoch verriet der Uniformierte seine nichtberliner Herkunft. Denn seit wann wird in Berlin Bier aus Behältern getrunken, die beim versehentlichen Verschütten den Hopfenfreund bis auf die Haut durchnässen?

ROLF SCHÜRMER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen