: Buhlen um die Braven
■ Experten fordern mehr Flexibilität und weniger Sanktionen auf Ausbildungsmarkt
Unternehmer jammern über zu wenige Auszubildende in Hamburg, etwa 7000 arbeitslose Jugendliche suchen vergeblich eine Lehrstelle. Viele von ihnen, weil sie keine motivierten, disziplinierten Sonnenscheinchen mit guten Noten sind, sondern junge Menschen mit Problemen. Um ihre Situation ging es beim evangelisch-sozialpolitischen Podium „Es ist genug für alle da“ in der evangelischen Akademie. Die Experten aus Wissenschaft, von Arbeitsamt, Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung (BSJB) sowie von diversen Jugendhilfeeinrichtungen haben unterschiedliche Ideen zu dem gespaltenen Arbeits- und Ausbildungsmarkt.
Hans-Otto Bröker, Leiter der Berufsberatung vom Arbeitsamt, schwärmt vom Jugendsofortprogramm der Bundesregierung und seinen Möglichkeiten, individuelle Pakte zu schnüren. Vielen Jugendhelfern geht das nicht weit genug: „Muss es denn immer in Richtung Ausbildung gehen?“, fragt einer, der mit Straßenkindern arbeitet, für die es ein Erfolg ist, wenn sie acht Stunden in der Woche arbeiten. Für Kinder, deren Eltern und Großeltern auch schon von der Sozialhilfe gelebt haben, bräuchte man andere Anreize und weniger Sanktionen.
Einige kritisierten, dass immer weniger Jugendlichen ABM-Stellen genehmigt würden. Bröker sagt dazu: „Ich halte nichts von ABM für Jugendliche, weil sie dabei mehr Geld verdienen als bei einer Ausbildung, die sich möglicherweise danach anschließt.“ Er gab jedoch zu, dass viele junge Menschen eine Maßnahme ablehnen, wenn der Lohn dafür nicht einmal für den Lebensunterhalt reicht. Das Arbeitsamt erarbeite da zur Zeit gemeinsam mit der Sozialbehörde neue Modelle.
Auch Petra Thiel vom Haus der Jugend St Georg wünscht sich mehr Flexibilität: „Wir haben oft Jugendliche, denen macht die Arbeit im Betrieb Spaß, aber sie kommen mit der Berufsschule nicht klar. Da müsste es die Möglichkeit geben, das nachzuholen.“
Eine Vertreterin der Handwerkskammer sorgt sich, „dass viele große Betriebe, die mit ihren hauptamtlichen Ausbildern die Infrastruktur dafür hätten, sich nicht um die Schwächeren kümmern.“ Sie fordert, dass alle Betriebe sich um alle Gruppen von Jugendlichen kümmern müssen. san
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