Tests mit Tücken

Eine US-Bildungsreform will alle Schulen zu Pflichttests verdonnern. Doch schon jetzt häufen sich fehlerhafte Testbogen. Firmen sind überfordert

von ULRIKE KLODE

Eigentlich wollte Martin Swaden nur wissen, was er mit seiner Tochter Sydney gezielt üben muss – sie war im Mai 2000 wieder durch den Standard-Mathetest des US-Bundesstaates Minnesota gefallen. Doch zunächst verweigerte ihm die zuständige Behörde die Einsicht in die Testergebnisse seiner Tochter.

Als er die Unterlagen dann doch in der Hand hatte, stellte er schnell fest, dass Sydney in Mathe gar nicht so schlecht war. Sie hatte die richtigen Antworten gegeben – der Test war fehlerhaft. 47.000 Schüler in Minnesota durften sich freuen: Ihre Testergebnisse wurden nach oben korrigiert. Und so erhielten manche dank der Initiative von Martin Swaden doch noch nachträglich ihren Abschluss.

Standardisierte Tests werden in den USA als Allheilmittel angesehen. So werden nicht nur die Leistungen der Schüler in einem Staat miteinander verglichen, sondern auch die Schulen und die Lehrer werden nach den Testergebnissen beurteilt. Wie gut Schulen in den Tests abschneiden, kann sogar den Grundstückswert in der umliegenden Nachbarschaft beeinflussen.

Den einzelnen Staaten blieb bisher selbst überlassen, wie stark sie sich in ihrer Schulpolitik an standardisierten Tests ausrichten wollten. Präsident George W. Bush hatte allerdings bereits im Wahlkampf angekündigt, solche Tests im ganzen Land verbindlich vorzuschreiben.

Gestern nun stimmte das Repräsentantenhaus einem umfassenden Gesetzentwurf zur Bildungsreform zu. Sobald der Senat das Vorhaben ebenfalls abgesegnet hat, werden alle amerikanischen Schüler in den Klassen drei bis acht einmal im Jahr auf ihre Mathematik- und Englischfortschritte getestet. Schulen, die auf längere Zeit keine guten Testergebnisse vorweisen können, sollen weniger Geld bekommen oder gar ganz geschlossen werden.

Doch das Beispiel in Minnesota zeigt, dass die Standardtests nicht unfehlbar sind. Wie die Tageszeitung New York Times herausgefunden hat, waren in den vergangenen drei Jahren Millionen Schüler in mindestens 20 Bundesstaaten von Fehlern in standardisierten Tests betroffen.

Der Test-Boom kam für die Unternehmen, die diese standardisierten Bogen erstellen und auswerten, offensichtlich völlig überraschend. Bei NCS Pearson, der landesweit größten Testfirma, die für den Fehler in Minnesota verantwortlich war, haben sich zwischen 1997 und 2000 die Aufträge für Multiple-Choice-Bogen verdoppelt, für die Tests in Aufsatzform sogar vervierfacht.

Die Auswertung von Aufsätzen ist sehr viel aufwändiger und erfordert besonders geschultes Personal – doch daran mangelt es. Die Firmen beschäftigen Hilfskräfte mit einem Stundenlohn von neun Dollar. Da kommt es auch schon mal vor, dass eine Angestellte, die bisher immer die Multiple-Choice-Bögen in Mathematik auswerten musste, ohne weitere Schulung Englischaufsätze benoten soll. Durch die Bildungsreform kommt noch viel mehr Arbeit auf die Tester zu: 50 Prozent mehr Tests werden nötig, schätzt die New York Times. Die Regierung will den Staaten drei Jahre Zeit geben, um sich auf die Tests vorzubereiten.

Im Gegensatz zur Bush-Regierung hat Rudy Crew mittlerweile Zweifel am Testsystem. 1999, als er noch ein hoher Schulbeamter in New York war, hatte er standardisierte Tests befürwortet. Doch dann verlor er seinen Job, weil Tests zeigten, dass die Englischleistung der Schüler in der ganzen Stadt abgenommen hatte. Erst später stellte sich heraus, dass ein Softwarefehler im Test-Unternehmen an dem Ergebnis schuld war. Eigentlich waren die Schüler in Englisch sogar besser als vorher.