: Risiken und Nebenwirkungen
betr.: „Karriere statt Buckeln“, taz vom 31. 5. 01
[...] Bulmahns Ziele in allen Ehren – aber die Einführung eines neuen Titels und mancher neuer Rechte für den akademischen Nachwuchs allein wird die Uni nicht so grundlegend umkrempeln, wie es sich der reformgläubige Leitartikel erträumt („selbstbewusste Charaktere“ statt „frustrierter Habilitierter“ usw.)! [...] Die Risiken und Nebenwirkungen dieser gut gemeinten Reform liegen vor allem in zwei Punkten:
1. Die Generation der jetzt und demnächst Habilitierten droht unter den Tisch zu fallen: „überqualifiziert“ und „zu alt“!
2. Es muss im weiteren Gesetzgebungsverfahren sichergestellt werden, dass vor allem gute Lehre und gute Betreuung als „Leistung“ der Profs anerkannt (und honoriert) wird – und nicht allein Publikationen und die Einwerbung von Drittmitteln. Um diese beiden Ziele zu realisieren, wird noch viel Druck auf die Regierung nötig sein. Als Erstes muss dafür gesorgt werden, dass VertreterInnen der Nachwuchs-Inis, die die Bulmahn-Reform kritisch unterstützen (vgl. www.wissenschaftlichernachwuchs.de), als ExpertInnen zu den parlamentarischen Anhörungen eingeladen werden, um dabei vor allem zwei Forderungen durchzusetzen:
a) Abschaffung aller Altersgrenzen im Hochschuldienstrecht (= diskriminierend – nicht nur alters-, sondern auch frauendiskriminierend!), notfalls müsste mal jemand in Karlsruhe gegen dieses Relikt aus dem alten Beamtentum klagen!
b) Schaffung von Übergangslösungen für die Generation der 35- bis 45-Jährigen, die – unterstützt von der DFG und ihren Fakultäten – auf den klassischen Ausbildungsgang gesetzt haben – am besten durch eine Neuauflage des Fiebiger-Programms, mit dessen Hilfe in den 80er-Jahren schon einmal ein „Nachwuchsberg“ abgebaut worden ist!
Aber das kostet etwas Geld, wird also nicht allein mit Friede-Freude-Ministerinnenlob durchzusetzen sein.
CHRISTIAN JANSEN
Privatdozent für Neuere Geschichte, Bochum
Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen