piwik no script img

Hutu-Milizen kehren zurück

Bei der schwersten Schlacht zwischen Armee und Hutu-Milizen in Ruanda seit drei Jahren werden hunderte von Menschen getötet. Die im Kongo stationierten ruandischen Milizen ziehen sich aus Kongos Bergbaugebieten in Richtung Ruanda zurück

von DOMINIC JOHNSON

Es könnte die letzte Schlacht gewesen sein – oder der Beginn eines neuen Krieges. Ruandas Armee hat nach eigenen Angaben am Mittwochnachmittag bei schweren Gefechten im Nordwesten des Landes 150 Kämpfer von Hutu-Milizen getötet, die mit einer Stärke von 300 Mann in der Nacht davor aus der benachbarten Demokratischen Republik Kongo eingedrungen waren. Es war die heftigste Auseinandersetzung dieser Art, seit die im Kongo stationierten ruandischen Hutu-Milizen Mitte Mai begonnen hatten, nach zweieinhalb Jahren Pause wieder Angriffe auf Ruanda zu starten. Bereits am 21. Mai war es zu einer größeren Infiltration von Milizen in den Nordwesten Ruandas gekommen, die die Armee nach einigen Tagen zurückschlug.

Die ruandischen Hutu-Milizen im Kongo sind Überbleibsel jener Kräfte, die 1994 beim Völkermord in Ruanda über 800.000 Menschen, zumeist Angehörige der Tutsi-Minderheit, töteten und Zuflucht im damaligen Zaire fanden. 1998 integrierte sie Kongos Präsident Laurent Kabila in seine Armee und setzte sie zum Kampf gegen Ruandas Armee und die von Ruanda unterstützten kongolesischen Rebellen im Osten des Landes ein. Bis heute kontrollieren die Milizen einige wichtige Bergbaugebiete, wo sie an der Förderung des für die Mobilfunkindustrie wichtigen Erzes Colombo-Tantalit (Coltan) gut verdient haben. Ihre Neutralisierung und Entwaffnung gilt als schwierigster Teil des UN-Friedensprozesses für den Kongo.

Die neuen Kämpfe schaffen da etwas Klarheit. Nach Berichten aus der kongolesischen Grenzstadt Goma sind seit dem 20. Mai vier straff organisierte Kolonnen von je 500 Milizionären aus den Bergbauregionen Walikale und Masisi im Landesinneren nach Osten Richtung ruandische Grenze marschiert – was darauf hindeutet, dass sie in den Bergbaugebieten schwächer werden und neue Einkommensquellen brauchen. Auf dem Weg nach Ruanda haben sie sich im Virunga-Nationalpark an der Grenze festgesetzt, wo sie sich im Urwald verstecken und die selten gewordenen Berggorillas essen. „Sie bewegen sich nachts und haben Basen in Virunga, wo sie sich ausruhen, bevor sie weiter Richtung Ruanda ziehen“, sagte ein Bauer der Region gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Die im Osten Kongos herrschende, von Ruanda unterstützte Rebellenbewegung RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie) hält dies für einen kriegerischen Akt der Regierung Kabila: „Kinshasa verlagert den Krieg von den Frontlinien weg in die Ostprovinzen“, sagte RCD-Generalsekretär Azarias Ruberwa. Kabila wird beschuldigt, auch die Hutu-Rebellen in Ruandas südlichem Nachbarland Burundi zu unterstützen, die seit Joseph Kabilas Amtsantritt stärker werden.

Den Berichten aus Goma zufolge haben die Milizen bei ihren bisher zwei größeren Angriffen in Ruanda selbst Niederlagen einstecken müssen. Anders als noch vor drei Jahren erhalten sie keine Unterstützung mehr seitens der Hutu-Bauern im Nordwesten Ruandas, die jetzt größtenteils in städtischen Siedlungen an der Hauptstraße leben. Das Risiko, dass sich die Milizen in Ruanda festsetzen, gilt daher als gering. Sogar Ruandas Armee spielt die Bedrohung herunter. „Die Eindringlinge haben nur leichte Waffen“, erklärte am Mittwoch ein Armeeoffizier. „Eine Gruppe von vierzig hat vielleicht zwanzig Gewehre. Sie haben nicht einmal Raketenwerfer oder leichte Artillerie. Ihre Bewegung nach Ruanda ähnelt einem Selbstmordkommando.“ Von den 2.000 Milizionären, die seit Mitte Mai aktiv geworden sind, hat Ruandas Armee nach eigenen Angaben über 400 getötet und etwa 200 festgenommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen