: Pakistans Militärdiktator
Der Putschführer und Militärmachthaber Pervez Musharraf macht sich jetzt auch noch zum pakistanischen Präsidenten
Was seit einiger Zeit spekuliert wurde, ist gestern in Pakistans Hauptstadt Islamabad eingetreten: General Pervez Musharraf, der im Oktober 1999 die gewählte Regierung unblutig aus dem Amt geputscht hatte, ernannte sich per Dekret mal eben zum Präsidenten. Er schickte den bisherigen Amtsinhaber in die Wüste und ließ sich am Nachmittag vom obersten Richter vereidigen.
Beobachter erklärten, Musharraf könne somit bei seinem in drei Wochen geplanten ersten Indienbesuch als Machthaber mit einem stärkeren Mandat auftreten. Denn ein Putschgeneral könne mit dem Erzfeind weniger überzeugend verhandeln, da seine Legitimation immer angezweifelt würde. Dieser Argumentation zu folgen hieße, Indien jetzt auch noch für Musharrafs Griff zum höchsten Staatsamt verantwortlich zu machen.
Stattdessen dürfte sich hinter dem Schritt des 57-jährigen Generals der Drang verbergen, über die von ihm bis spätestens Oktober 2002 versprochene Rückkehr zur Demokratie hinaus die Macht zu behalten. Denn als Präsident kann Musharraf die Premierminister entlassen und in künftigen Wahlen gefällte Entscheidungen „korrigieren“. Musharrafs gestriger Schritt löste nur wenig Kritik aus. Das liegt zum einen daran, dass er bereits der vierte Militärmachthaber Pakistans ist. Entsprechend schwach sind die zivilgesellschaftlichen Kräfte. Zum anderen haben sich die letzten demokratisch gewählten Regierungschefs Benazir Bhutto und Nawaz Sharif wegen Korruption und schlechter Wirtschaftspolitik so diskreditiert, dass ihnen niemand eine Träne nachweint. Manche hatten gar den von Musharraf geführten Militärputsch als Befreiungsschlag empfunden. Pakistans wirtschaftliche und soziale Probleme sind so massiv, dass sich viele der Illusion hingaben, nur das Militär könne Abhilfe schaffen. Zwar gibt es heute kaum jemanden, der sagt, Pakistan ginge es inzwischen besser, dennoch erfreut sich Musharraf gar gewisser Popularität.
Der General war 1998 vom damaligen Premier Sharif gerade deshalb zum Militärchef gemacht worden, weil er nicht aus der unter den Offizieren dominierenden Gruppe der Punjabi stammt. Musharraf wurde vielmehr im indischen Neu-Delhi geboren und floh mit seinen Eltern nach der Teilung Britisch-Indiens nach Karachi. Dort arbeitete er sich im Militär hoch. Mindestens zweimal wurde er zur Spezialsausbildung nach Großbritannien geschickt. Als 1998 der damalige Generalstabschef einer stärkeren Rolle des Militärs das Wort redete, wurde er von Sharif zum Rücktritt gezwungen. Musharraf wurde sein Nachfolger, weil Sharif ihm gerade nicht zutraute, das Militär hinter sich zu einigen.
Musharraf schickte kaschmirische Rebellen, afghanische Söldner und pakistanische Soldaten in den indischen Teil Kaschmirs, wo es im Mai 1999 – ein Jahr nach den Atomtests der beiden Nachbarstaaten – fast zu einem neuen Krieg gekommen wäre. Als Sharif auf Druck der USA zum Rückzug blies, kam es zum Zerwürfnis mit Musharraf. Im Oktober war es dann so weit: Als Musharraf von einer Auslandsreise zurückkehrte, wurde er noch im Flug für abgesetzt erklärt, seinem Jet die Landung verweigert. Doch Musharraf war schneller: Seine Leute besetzten einen Flughafen, ermöglichten ihm die Landung und verhafteten Sharif. SVEN HANSEN
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