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Die große Jubiläumsfrage: Sind Reporter Menschen?

■ Kino 46 zeigt den Film zum 15. taz-Geburtstag: Howard Hawks Mediensatire von 1940 „His Girl Friday“

Einen passenderen Film zum 15. Geburtstag der Bremer taz hätte man kaum finden können: „Das sind ja keine Menschen mehr!“ – „Nein, das sind Journalisten!“ ist ein Dialog aus dem Theaterstück „The Front Page“ von Ben Hecht aus dem Jahr 1931, das so treffend, böse und witzig mit der Ethik der Reporter zu Gericht ging, dass es alle paar Jahre ein Remake davon auf der Leinwand gibt.

Doch trotz Ted Kotcheffs „Switching Channels“ (1989) und Billy Wilders „Extrablatt“ (1974) mit Jack Lemmon und Walter Matthau ist und bleibt Howard Hawks' „His Girl Friday“ von 1940 die beste Version. Hawks war einer der großen Meister des klassischen Studiosystems von Hollywood. Er hat nur populäre Genrefilme gemacht, dies aber mit soviel Originalität, Witz und Eigensinn, dass die Nouvelle Vague ihn in den frühen Sechzigern neben Hitchcock zu ihrem Helden auserkor.

Außer seinen Thrillern, Western und Abenteuerfilmen waren auch seine Screwballkomödien stilbildend. So treibt auch in „Sein Mädchen für besondere Fälle“ ( der deutsche Titel von „His Girl Friday“) ein Übermaß an brillanten Dialogen, die sich zum Teil überlappen, den Film mit atemberaubendem Tempo voran.

Wortspiele haben hier die Funktion der optischen Gags aus den Slapstickfilmen übernommen. Cary Grant ist als der skrupellose Chefredakteur Walter Burns ununterbrochen in Wortduelle verstrickt. Er entwickelt eine hinterlistge, zynische oder kriminelle Strategie nach der anderen, um einerseits eine sensationelle Story für seine Zeitung zu bekommen und andererseits seinen Starreporter Hildy Johnson nicht an ein ruhiges Familienleben in einem Provinzstädtchen zu verlieren. Und hier hatte Hawks die einfache und zugleich geniale Idee, die Vorlage von Hecht zu ändern: Aus dem Reporter Hildebrand wurde bei ihm eine Hildegard, und nun versucht der Chefredakteur auch noch, seine Exfrau zurückzugewinnen.

So konnte Hawks in die Mediensatire auch noch eine romantische Komödie packen, und dabei glänzte Cary Grant natürlich um so besser. Zudem konnte Hawks hier sein ganz eigenes Frauenbild feiern (nach dem später die Images von Lauren Bacall und Angie Dickinson gebastelt wurden): Die zugleich feminine und kameradschaftliche, professionell und intellektuell den meisten Männern überlegene Heldin. In der Rolle der Hildy ist Rosalind Russell Cary Grant in den Rededuellen als einzige ebenbürtig. Zudem ist sie schön und man glaubt ihr, dass sie eine erstklassige Journalistin ist.

Es gibt nicht viele Komödien mit so vielen Pointen pro Minute. Nur über den verwirrten und armseligen Todeskandidaten, den ein korrupter Sheriff schnell hängen will, um Stimmen in der bevorstehenden Wahl zu gewinnen, kann man nicht lachen.

Der Film ist zwar dramaturgisch so zugeschnitten, dass neben dem Hauptkonflikt („Kriegen sie sich am Schluss?“) die Frage, ob die Journalisten die Exekution verhindern können, nur von zweitrangiger Bedeutung ist. Aber die Pointe, dass das Opfer einer korrupten Justiz schließlich nur wegen der besseren Schlagzeilen von der Presse vorm Galgen gerettet wird, gibt der Komödie einen bitteren Beigeschmack.

Nur Howard Hawks konnte diese widersprüchlichen Elemente so souverän und leichtfüßig ausbalancieren, und so sind in „His Girl Friday“ alle Qualitäten seiner besten Filme vereinigt: Er ist witzig wie „Leoparden küsst man nicht“, so smart wie „The Big Sleep“ und schwarz wie „Scarface“.

Wilfried Hippen

„His Girl Friday“ läuft im Kino 46 in der taz-Sonderveranstaltung am Sonntag um 20.30 Uhr in deutscher Fassung, Montag und Dienstag als O.o.U.l Für den Nachwuchs und alle Kindsköpfe unter den taz-Lesern läuft als zweiter „Reporterfilm“ auch „Tim und Struppi am Haifischsee“ von Freitag bis Sonntag um 16 Uhr.

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