: Suspekter Knabe
betr.: „Der Konformist“ (Harald Schmidt), taz-mag vom 23. 6. 01
Sehr differenzierte Betrachtung des Phänomens Schmidt. Sehr suspekter Knabe, der Herr Schmidt. Wer kommt ihm auf die Spur? Das ganze Leben ist ein Spiel, oder? Zitat für Polt-Stil: „Schenkelklopfend sitzen die CSU-Größen im Parkett und amüsieren sich köstlich.“ IRENE JUNGNICKL, Frickendorf
Hallo Herr v. Westphalen, was haben Sie gegen den Papst? Erstaunlich, wie bei vielen ein über Jahrhunderte eingepflanzter Antikatholizismus dazu führt, den Papst einen Narren zu nennen. Der rafft sich als totkranker Mann auf, die orthodoxe Kirche in der Ukraine um Verzeihung zu bitten. Die schafft es nicht zu verzeihen. Über die Bilder vom Papst in Yad Vashem und im palästinensischen Flüchtlingslager vergisst man glatt seine erzkonservative Haltung in vielen Moralfragen, ein Narr ist er nicht.
Beim Soldaten liegen Sie übrigens falsch, Schmidt hat Ersatzdienst geleistet. Es ehrt Sie, dass Sie durch freie Meinungsäußerung die freie Meinungsäußerung zu verteidigen suchen, aber bevor wir einen Zirkelschluss bekommen, muss ich doch bekräftigen, dass es der staatlichen Gewalt bedarf, die Grundrechte der offenen Gesellschaft wirksam zu verteidigen. Fragen Sie chinesische oder serbische Kollegen. Und wenn Sie sich durch die Wehrpflichtigen im ICE gestört fühlen, sprechen Sie einfach mal mit ihnen, das kann erhellend sein.
Als Nota Bene möchte ich noch anfügen: Alle großen deutschen Showmaster sind nicht nur katholisch, sondern auch einst Ministranten gewesen, das scheint eine gute Voraussetzung zu sein. Das gilt zumindest für Schmidt, Biolek, Raab, Gottschalk, Jauch und Kerner. Gibt Ihnen das zu denken?
DANIEL LIMBACH, Zürich, Schweiz
Dieser Artikel war überfällig. Noch besser wäre gewesen, sich diesen ganzen Schmidt-Raab-Wettbewerb zu sparen, der schon extrem peinlich war in seiner Anbiederung an so ziemlich die konformistischsten Unterhaltungsformate, die unser Fernsehen zu bieten hat.
Mal als Vergleich: Der erwähnte Gerhard Polt beweist, dass Ironie unter Umständen subversiv sein kann; „Zimmer frei“, dass auch auf hohem Niveau geblödelt werden kann; „Big Brother“, dass dumpfer Kommerz und Innovation mitunter zusammengehen; Oliver Kalkofe, dass Pöbelei nicht grundsätzlich mit Anpassung an herrschende Verhältnisse gleichzusetzen ist; Gunter Emmerlich, dass man trotz Unterhaltungsbanalität und -blödheit glaubwürdig bleiben kann – nichts von all dem bei Raab und Schmidt, da seh ich nur Quotengeilheit und bis zum Überdruss bekannte Provokationsmanier, das Mehr an Intelligenz bei Schmidt macht da auch keinen Unterschied.
Zugegeben, obwohl ich Mitte dreißig bin, hab ich Harald Schmidt noch nie leiden können, auch als er noch das Satirefest moderierte. Aber lassen muss man ihm, dass er aus seiner Angepasstheit nie ein Hehl gemacht hat. Ihn für subversiv zu halten, ist geradezu lächerlich; es muss einem doch auffallen; dass er ja gerade über „koksende Fußballer, wichtigtuerische Kanzlergattinnen oder schwule Ossis“ Witze macht oder über Polen oder Feministinnen, also grundsätzlich über Leute, die Verlierer sind, altmodisch, Außenseiter oder aus anderen Gründen unmodern. Und dass seine ganze Subversion darin besteht, die heimlichen Aggressionen des angepassten Durchschnittsspießers öffentlich auszusprechen. Fast könnte man schadenfroh sein, dass einem Autor, der Soldaten als schlechtere Müllsäcke diffamierte, als das noch konform war, dass dem jetzt – nach dem Ende der linken Leitkultur – mit gleicher Münze heimgezahlt wird. Wird es nicht wirklich langsam Zeit einzusehen, dass pseudokritische Pöbelei nichts mit Widerstand zu tun hat?
MARTIN SCHÖNEMANN, Bremen
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