vorlauf
: Schlaffes Brettspiel

„Jenseits der Liebe“

(20.45 Uhr, Arte)

Er fühlt nichts, weder Reue noch Scham. Am Ende steht der Naziverbrecher in Mönchskutte vor seiner Tochter, schaut ihr unverwandt ins Gesicht und erklärt, dass er keine Liebe für die Tochter empfinde und auch keine Schuldgefühle gegenüber den Zwangsarbeitern, die er als Offizier im Weltkrieg ermorden ließ. Solches erfordert strenge Maßnahmen: Die Tochter setzt sich in ihr Auto und fährt den Teufel im Büßergewand über den Haufen – und liefert so den brachialen Höhepunkt eines Schuld-und-Sühne-Dramas, das zuvor mit schlaffen Dialogen und schwächelnder Dramaturgie mehr schlecht als recht über die Runden gebracht wurde.

„Jenseits der Liebe“ ist die aufgemotzte TV-Version des sowieso schon recht zweifelhaft konstruierten Romans „Vaterflucht“, den Bernd Sülzer vor fünf Jahren veröffentlichte: Vergangenheitsbewältigung als intimer Akt. In die Gänge gebracht wird die Nazi-Parabel von einem Berliner Germanistikprofessor (Robert Atzorn), der auf der Suche nach dem Mörder seines Vaters eine britische Archäologin (Martina Gedeck) kennen lernt. Die beiden verlieben sich, obwohl sie über ein schreckliches Erbe miteinander verbunden sind: Der Vater des Profs wurde von dem der Geliebten während des Krieges ermordet. Die junge Engländerin macht sich mit dem Deutschen auf die Suche nach ihrem abgetauchten Erzeuger – und findet ihn schließlich in einem Kloster.

Die Nazijäger-Romanze entspricht in ihrer Logik Roland Suso Richters Geschichts-Thriller „Nichts als die Wahrheit“, in dem Götz George den KZ-Arzt Mengele als kahlköpfigen Mephistopheles gibt. Die Täterprofile ähneln sich: Die Naziverbrecher sind in beiden Filmen klassische Superschurken, deren Schuld aus der Unfähigkeit zu lieben erwächst. Damit auch der Zuschauer zu dieser Erkenntnis gelangt, springt die Handlung von „Jenseits der Liebe“ zwischen englischer Postkartenidylle und Neuberliner Schick. Die traumatisierten Helden, die von einem unwirklichen Ort zum anderen geschoben werden, wirken dabei so charismatisch wie die Figuren eines Brettspiels. Was ein Problem ist, wenn Geschichte in einem intimen Vater-Tochter-Drama aufgearbeitet werden soll.

CHRISTIAN BUSS