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Kein MKS-Ende in Sicht

Maul- und Klauenseuche nun auch in walisischen Bergen. Premierminister Tony Blair ließ Desinfektionsprogramm für Höfe einstellen – wegen zu hoher Kosten

DUBLIN taz ■ Britanniens Bauern kommen nicht zur Ruhe. Die Maul- und Klauenseuche breitet sich immer weiter in Gegenden aus, die bisher als seuchenfrei galten. Nun brennen die Scheiterhaufen mit toten Tieren auch in der walisischen Bergkette, den Brecon Beacons. Am Wochenende wurden 4.000 Schafe getötet, Dienstag 1.200, ab heute werden 4.000 weitere Tiere untersucht – „die schlimmstmöglichen Nachrichten“ , sagte Alan Morris vom walisischen Bauernverband.

Dennoch lehnt das Ministerium für Umwelt, Lebensmittel und ländliche Angelegenheiten (Defra) Impfungen weiterhin ab, weil es dann noch länger dauern würde, bis Großbritannien wieder einen seuchenfreien Status erlangt. Defra ist Nachfolger des Ministeriums für Landwirtschaft, Fischerei und Lebensmittel, das nach den Wahlen im Juni aufgelöst wurde, weil es sich bei der Bekämpfung des Rinderwahns und der Maul- und Klauenseuche zu viele Fehler erlaubt hatte. Viel geändert hat sich freilich nicht. Dieselben Beamten schreiben ihre Berichte nun auf neuen Briefbögen.

Das Ministerium hat sich Anfang der Woche den Zorn der Bauern zugezogen, weil es den Schadensersatz drastisch gekürzt hat. Bisher haben die Bauern Entschädigungen für ihre getöteten Tiere bekommen, die rund doppelt so hoch wie der Marktpreis waren. Künftig sollen unabhängige Gutachter den Wert jedes einzelnen Tieres festlegen. Die neue Regelung wurde eingeführt, weil einige Bauern das Schadensersatzprogramm missbraucht haben sollen. In der Grafschaft Cumbria, die am stärksten von der Seuche betroffen ist, haben Bauern infizierte Tiere angeblich an seuchenfreie Höfe verkauft, damit deren Besitzer auch in den Genuss der Entschädigungen kommen. Die walisische Bäuerin Nuala Preston sagte, jemand habe ihr telefonisch angeboten, ihre Schafherde für 2.000 Pfund mit der Maul- und Klauenseuche zu infizieren. „Ich glaube, einige Bauern stehen vor dem Bankrott und sind so verzweifelt, dass sie versucht sind, solche Angebote anzunehmen“, sagte Preston.

Bisher sind fast 2.000 Höfe betroffen, täglich kommen 3 oder 4 hinzu. Mehr als 3,6 Millionen Tiere sind getötet worden, der Schadensersatz hat die Steuerzahler knapp eine Milliarde Pfund gekostet. Der Bauernverband protestierte gegen die neue Entschädigungsregelung. „Immer noch werden jede Woche 42.000 Tiere getötet“, sagte Vizepräsident Tim Bennett. „Es ist wichtig, dass die Gutachten schnell erstellt werden, damit die Regierung ihr Tötungsprogramm einhalten kann.“ Um weitere Kosten zu sparen, hat die Regierung vorige Woche die Desinfektion von Höfen vorübergehend eingestellt – selbst dort, wo die Arbeiten bereits begonnen haben. „Tausende von Bauern glauben, ihren Ohren nicht trauen zu können“, sagte Ben Gill, der Präsident des Bauernverbandes. „Mitten in der Desinfektion aufzuhören, macht finanziell doch auch keinen Sinn.“

Die Anweisung kam direkt von Premierminister Tony Blair, nachdem er erfahren hatte, dass es mehr als 100.000 Pfund kostet, einen Bauernhof zu desinfizieren. Defra erklärte dagegen, das sei lediglich „eine illustrative Zahl am höheren Ende der Bandbreite“. Wie hoch die Kosten tatsächlich sind, weiß niemand im Ministerium. Der Bauernverband meint, die Kosten liegen eher bei 50.000, in Schottland sogar unter 30.000 Pfund. Hauptanteil sind Lohnkosten: Wenn vier Leute acht Stunden am Tag arbeiten, brauchen sie rund drei Monate, bis ein Hof desinfiziert ist. Für die Bauern, die für diese Arbeiten auf ihren eigenen Höfen bezahlt werden, ist es die einzige Einnahmequelle. Nächste Woche will die Regierung entscheiden, ob das Desinfektionsprogramm endgültig eingestellt wird. RALF SOTSCHECK

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