Sommer kann weiter smoggen

„Sofortmaßnahmen“ gegen Ozon hängen seit über einem Jahr zwischen Ressorts der Bundesregierung: Stinker bleiben verschont, Farbenindustrie mauert

BERLIN taz ■ Die im Mai 2000 im Prinzip beschlossenen Sofortmaßnahmen der Bundesregierung gegen den Sommersmog lassen auf sich warten. Dies geht aus einer internen Liste der Regierung zum Status der 17 Einzelmaßnahmen hervor. Mit dem Stand August 2001 ist lediglich ein einziger Punkt leidlich vorangekommen. Bei allen anderen mauern die jeweils neben dem Umweltministerium zuständigen Ressorts.

Details der 17 Maßnahmen gibt es unter www.bmu.de. Allein vier Punkte beinhalten stärker an die Emissionen angepasste Kfz-Steuern. Hier blockt das Finanzministerium. Die Lösungsmittel emittierende Lack-, Druck- und Klebstoffindustrie war nicht zu einer Selbstverpflichtung bereit und hat auch keine Verordnung der Regierung zu befürchten. Weitere Punkte sind EU-weite Katalysatoren sowie Kats für Diesel, Abgasuntersuchungen für Motorräder oder eine Besteuerung des Flugbenzins. Einzig die EU-Verordnung zu organischen Lösungsmitteln wird wohl im August vom Bundeskabinett abgesegnet.

Die Grünen, namentlich ihr Umweltausschuss-Mitglied im Bundestag, Winfried Hermann, hatten ursprünglich sofortige Einschränkungen bei hohen Ozonkonzentrationen verlangt. Das Kanzleramt hatte bei Stichworten wie „Tempolimit“ und „Verbot für den Betrieb benzingetriebener Rasenmäher“ an Spitzen-Ozontagen angesichts der zu erwartenden Widerstände in der Öffentlichkeit jedoch brüsk abgewunken.

Erhöhte Ozonwerte (ab 110 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft) können unter anderem zu Kopfschmerzen und Atembeschwerden führen. Auch Pflanzen werden geschädigt. Die Ozonwerte in den letzten Tagen erreichten in Deutschland Werte bis zu 180 Mikrogramm pro Kubikmeter. Nach den letztjährigen Vorschlägen der grünen Bundestagsfraktion würden dann schon die ersten Verbote greifen.

Das Bundesumweltministerium ist eher von langfristigen Maßnahmen überzeugt als von kurzfristigen Verboten – und sieht sich durch ein Papier des Umweltbundesamtes (UBA) vom Mai 2001 bestätigt (www.umweltbundesamt.de): Ein drastisches, bundesweit kontrolliertes Tempolimit von 80 km/h für Pkws auf Autobahnen und 60 für Lkws und Pkws auf sonstigen Straßen würde demnach die Ozonspitzenwerte nur um geschätzte 5 Prozent mindern. Ein großräumiges Fahrverbot für Autos ohne Katalysator und ältere Diesel brächte bis zu 10 Prozent.

Wichtig ist es vor allem, so das UBA, die Ozonvorläufersubstanzen ganzjährig zu verringern: Ozon entsteht hauptsächlich unter Beteiligung von Stickoxiden (vor allem aus Kfzs) und flüchtigen Kohlenwasserstoffen. Die Kohlenwasserstoffe stammen zu einem Teil aus der Natur. Große Mengen werden jedoch ebenso durch Farben und Lacke wie durch verdunstendes Benzin und den Autoverkehr frei. Beide Stoffgruppen sollten laut Experten europaweit um etwa 70 bis 80 Prozent verringert werden.

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