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Rosarote Fischprofite sind noch sicher

Norwegens Lachszucht ist auch dank des Appetits der Deutschen bisher wie eine Konzession zum Gelddrucken. Doch jetzt droht Konkurrenz. Auch ist der Öko-Ruf angesichts der Futterverschwendung und der Chemie im Meer zweifelhaft

OSLO taz ■ Was einmal als Saisongeschäft zu Weihnachten begann, floriert mittlerweile zwölf Monate: die Vorliebe der Deutschen für Lachs. Mit einer Jahresproduktion von 700.000 Tonnen sind Norwegens Lachszuchtbetriebe als weltweit größte Produzenten und Fastmonopolisten dabei die Hauptgewinner. Allein die Konzessionen zur Lachsaufzucht, die Norwegens Regierung einst kostenlos verteilte, werden mittlerweile im zweistelligen DM-Millionenbereich gehandelt.

Um das Vierzig- bis Fünfzigfache sind die Aktien der Lachszuchtbetriebe seit 1995 gestiegen, Renditen von über 20 Prozent waren keine Ausnahmen. Vor allem die letzten drei Jahre waren goldgerändert: Während die Preise um knapp 20 Prozent stiegen, sanken die Produktionskosten um 8 Prozent. Dank der Lachswirtschaft ist die Fischerei – nach dem Erdöl – Norwegens wichtigster Exportzweig. Die EU ist dabei mit einem Anteil von 70 Prozent wichtigster Abnehmer.

Doch auch wenn in norwegischen Fjorden das Lachsgeschäft brummt, kann eine verfehlte Fischzuchtpolitik nicht verbergen, dass hier eine nächste Krisenbranche hochgepäppelt wird.

Die Entwicklung des Preisniveaus ist ein erstes Warnsignal. Im ersten Halbjahr wurde geschlachtet, was die Messer hergaben, um die Nachfrage zu befriedigen. Mit der Folge, dass schnell ein Überangebot den Kilopreis von 8,50 Mark im letzten Herbst auf jetzt 6,50 Mark drückte. Tiefer darf es nicht gehen: Fällt der Preis weitere 10 Pfennig, betrachtet die EU dies als Preisdumping und führt einen Strafzoll ein, der das Produkt aus dem Nicht-EU-Land faktisch vom EU-Markt verbannen würde. Oslo und Brüssel hatten 1997 dieses Mindestpreisabkommen geschlossen, um die unter Druck geratene schottische Lachszucht zu schützen.

In Norwegen träfe es allerdings nicht unbedingt die Armen: Was als Zubrot für Fischer begann, ist mittlerweile in den Händen großer Fischkonzerne. Die haben kräftig rationalisiert: Trotz einer Produktionssteigerung von über 70 Prozent in den letzten fünf Jahren schrumpfte die Anzahl der Beschäftigten um 15 Prozent auf nur 3.500 Personen. Und am Horizont taucht als zweites Warnsignal ein Konkurrent auf, der noch billiger sein könnte: Chile, mit billigeren Arbeitskräften und einem Klima, das Lachse schneller schlachtreif wachsen lässt. Paul Birgner Torgnes, Chef von „Fjord Seafood“, schätzt, dass die stark expansive Lachsindustrie Chiles in drei Jahren mehr als Norwegen produzieren wird.

Überall auf der Welt hat die Lachszucht hat ein gewaltiges Umweltproblem: eine Verschwendung von Resourcen. Um ein Kilo Lachs heranzuziehen, müssen vier Kilo Fisch – getrocknet und in Tablettenform – verfüttert werden. Mittlerweile fischen die Nord- und Ostseefischer Schwedens und Dänemarks nicht mehr nach menschlicher Nahrung, sondern vorwiegend nach „Industriefisch“, der zerhäckselt und getrocknet als Lachsfutter endet. In den Achtzigerjahren machte diese Art des Fischfangs gerade einmal 20 Prozent aus. Jetzt enden 80 Prozent allen in beiden Ländern angelandeten Fischs als „Industriefisch“.

Aufgeschreckt durch BSE- oder MKS-Agrarskandale fürchten die norwegischen Lachswirte auch ein Reinheitsproblem durch Dioxine. Weil ihr Fischfutter aus der Nord- und Ostsee kommt – Meeresgebieten mit höheren Dioxingehalten als beispielsweise Atlantik und Barentssee –, soll es bald bessere Kontrollen und neue EU-Grenzwerte geben. Grenzwerte, die die Branche schon jetzt zittern lassen. Einige Züchter haben in der Hoffnung auf einen Wettbewerbsvorteil schon vorab die Konsequenzen gezogen und beziehen ihr Lachsfutter mittlerweile aus den Fängen „saubererer“ Meeresgebiete. Was aber wieder deutlich teurer ist.

REINHARD WOLFF

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