: Griff nach den Sternen
■ Der „Junge Konzertchor Oldenburg“ versuchte sich an zwei Meistern des Barock – und das ehrgeizige Projekt gelang
Das war so ein Konzert, für das weitgehend die Urteilskriterien fehlen: Da macht sich ein ehrgeiziger Musiklehrer (Thomas Busch) ans Werk, seinen Unterricht anders zu gestalten. Er gründet einen Chor, der ohne Stimmqualitätskontrollen für alle offen ist, und er schafft es, mit diesem über siebzig Stimmen starken Klangkörper Aufführungen zustande zu bringen, in denen dann der berühmte Funke überschlägt.
Dazu greift er hinsichtlich der Literatur sozusagen nach den Sternen, denn – nach Händels „Messiah“ – mit der jetzigen Wiedergabe von Giacomo Carissimis „Jephte“ und Henry Purcells „Dido und Aeneas“ in der Kirche Unser Lieben Frauen hatte er zwei unbestrittene Spitzenwerke des frühen Barock gewählt. Der „Junge Konzertchor Oldenburg“, eben eigentlich der „Schulchor der Graf-Anton-Günther-Schule“ in Oldenburg, holte sich instrumentale Unterstützung durch Profis: das Polnische Barock-Orchester aus Krakau. Zusammen mit den SolistInnen war so ein musikalisch absolut zuverlässiges Fundament entstanden, das den Besuch uneingeschränkt lohnend machte.
Herausgegriffen sei hier nur die Hauptdarstellerin, die die beiden Hauptrollen, die Tochter Jephtes und die Dido, sang: Maria Skiba aus Krakau. Ihre instrumental geführte, vibratolose Stimme fand zu ergreifenden Tönen der todesbereiten Frauen: die eine, weil sie laut der biblischen Geschichte geopfert wird (Jephtes Tochter), die andere, weil sie ihre Liebe verraten sieht (Dido). Nicht ganz unproblematisch allerdings wirkten die szenischen Einrichtungen, für die der Ausdruck „szenische Aufführung“ schlichtweg hochgestapelt ist. Das Tanztheater „Hexenbesen“ unter der Leitung von Maike Horn-Körner beeindruckte zwar durch technische Exaktheit und Genauigkeit, was aber gerade in „Jephte“ nicht davon ablenken konnte, dass es weitgehend bei einer kunsthandwerklich fragwürdigen Aufputschung der Musik blieb. Besser, viel besser wirkte die 15- bis 20-jährige Truppe in „Dido und Aeneas“, wo allerdings schon die Partitur reichhaltig nach Tanz verlangt, wenn die Hexen auftreten, die Furien, und dergleichen Geister mehr: da hatte Maike Horn-Körner gut Luft gelassen, damit die jugendlichen Tänzerinnen sich auch individuell austoben konnten.
Trotzdem blieb auch diese „szenische Darstellung“ sozusagen in der Hälfte stehen, denn die Sänger waren in ihren emotionsgeladenen Rollen völlig alleine gelassen und da kam – mit Verlaub – nichts. Bedenkt man den Hintergrund, den Anpruch und auch den Aufwand dieser Aufführung, so hätte vielleicht ein Theaterregisseur da noch einen Schliff anlegen können.
Gelohnt hätte sich das, denn die musikalische Aufführung war tadellos, was sich auch im sehr herzlichen Schlussbeifall auch niederschlug. Eine durch und durch bewundernswerte riesige Arbeit, die freilich schon in den vergangenen Jahren von Preisen gekrönt war: so beim Internationalen Chorwettbewerb in Preveza/Griechenland. usl
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