piwik no script img

Lokal hören, global spekulieren

■ Emmanuel Gomado zeigte bei der African Night im Kulturzentrum Schlachthof zwei älteren Herren ihre Grenzen auf

Voss: Dr. Blohm, wir können nicht über diese Veranstaltung schreiben.

Blohm: Warum nicht?

Voss: Uns gehen die Maßstäbe ab.

Blohm: Seit wann können wir nicht urteilen über Dinge, von denen wir nichts verstehen?

Voss: Sie sind ein Zyniker.

Blohm: I wo, ein Realist!

Voss: Dann sein wir doch realistisch: Ich habe weder Musik noch Texte oder Ansagen verstanden.

Blohm: Musik ist eine Sprache, die keine Grenzen kennt, glaubt man der Legende.

Voss: Und warum wird dann das Exotische im Kulturbetrieb fast immer über seine Exotik verkauft? Wir sind hier doch in der „Roots Night“.

Blohm: Ich sagte doch: Legende.

Voss: Aber da kommen wir doch dann sicher wieder auf die romantischen Projektionen weißer Bildungsbürger und -bürgerinnen zu sprechen.

Blohm: Nicht notwendig. Die Musik bleibt davon doch im Grunde unberührt. Und ich muss sagen, dass ich zumindest diese ungemein komplexe und dabei so kraftvolle Rhythmik beeindruckend finde. Die Folklore meiner österreichischen Heimat mag die anspruchsvolle Kulturtechnik des Jodelns entwickelt haben, die Tänze dort sind jedoch von enervierender Einfältigkeit.

Voss: Aber wir können weder die technische Ebene erörtern, denn vielleicht gibt es ja viel virtuosere Trommler als die von Emmanuel Gomados Odehe Dance Company, noch können wir etwas über die stilistische Ausrichtung sagen, denn – offen gestanden – für mich hört sich das alles gleich an.

Blohm: Mit Verlaub gesagt, bei Ihren Hörgewohnheiten auch kein Wunder.

Voss: Auf der Eintrittskarte steht jedenfalls, die Formation habe 1998 und 1999 einen Preis für die beste Performance gewonnen.

Blohm: Ich frage mich, ob sie da auch mit armlangen Gebeinen aufgetreten ist. Ich finde die Vorstellung reizvoll, dass sich diese Musiker und Tänzer einen Spaß erlauben, der natürlich nur funktioniert, weil es eben diese Fremdheit gibt: 'Lasst uns mal mit großen Knochen auf einen Totempfahl schlagen, das finden diese Eurozentriker sicher unheimlich authentisch.

Voss: Vielleicht. Aber als der Musikantenstadl von Karl Moik in China war, sind auch alle in Lederhosen aufgetreten, ohne das im Entferntesten ironisch zu meinen.

Blohm: Sie meinen, es sei auch diese Darbietung die – allerhöchstens noch zynisch gebrochene – Nutzbarmachung der kulturellen Differenz? Indem also ein Bild reproduziert wird, das seinen Ursprung in etwa im Zoo von Hagenbeck hat?

Voss: Das sollten Sie nicht so laut sagen.

Blohm: Hatte ich auch nicht vor. Ich spekuliere so vor mich hin.

Voss: Im Unterschied zur Musik kennt Spekulation wirklich keine Grenzen.

Blohm: Bitte keine Globalisierungsdiskussion an dieser Stelle!

Voss: Ich wollte Ihren Hirngespinsten ja auch nur Einhalt gebieten.

Blohm: Ich danke Ihnen. Aber dann bleibt uns wirklich nicht viel zu sagen.

Voss: Ich sagte es Ihnen ja vorhin.

Blohm: Dafür haben wir aber ganz schön lange durch gehalten.

Voss: Nicht zuletzt Ihr Verdienst.

Blohm: Darauf können Sie mir einen ausgeben, dann halte ich den Mund.

Voss: Ein verlockendes Angebot.

A.S.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen