Mann mit singender Posaune

■ Albert Mangelsdorff spielte vor vollbesetztem Haus im KITO. Ein mitreißendes Konzert des Jazz-Altmeisters

Zu Beginn der siebziger Jahre waren im Jazz Solokonzerte sehr in Mode. Keith Jarrett und Ralph Towner waren die Stars dieses kurzlebigen Trends, aber ausgerechnet ein Posaunist entwickelte extra eine Spieltechnik für seine unbegleiteten Soli. Sein Ins-trument ist wohl das sperrigste und am schwersten zu bewältigende im Jazz, es gibt darauf viel weniger Solisten als etwa auf der Trompete oder dem Saxophon, und in Bands wird es eher wegen der Klangfarbe eingesetzt.

Aber Albert Mangelsdorff und seiner Posaune gelang es, all diese Mankos in Vorteile zu verwandeln. Wenn er alleine spielt, singt er neben der geblasenen Note noch eine zweite, und weil beide sehr sauber intoniert werden, bilden sich Obertöne, durch die dann Akkorde zustandekommen.

Diese Technik hat der heute 72jährige bis zur Perfektion verfeinert, und so konnte er am Freitagabend im Vegesacker KITO gut anderthalb Stunden lang alleine improvisieren, ohne dabei je langweilig zu werden. Dabei schöpfte er aus dem reichen Fundus der Jazzgeschichte, an der er selber ja entscheidenden Anteil hat. Der Bogen reichte vom Blues über Ellington-Klassiker (die beiden einzigen Stücke, die er ganz konservativ einstimmig blies) bis zu freien Improvisationen über Harmonieabläufen.

Ganz in schwarz gekleidet wirkte er überraschend scheu auf der Bühne: beim Applaus meist mit Blick auf den Boden, extrem höflich bei den Ansagen (“ich nehme mir die Freiheit, noch etwas zu spielen), dabei mit einer sehr sympathischen, abgeklärten Bühnenpräsenz und einem schrägen, trockenen Humor, der sich besonders in den Titeln der Kompositionen zeigte: „Danke, Hut ab!“, „Mississippi-Lehm am Schuh“ oder „Ant steps on elefants toe“ lösen Assozia-tionsketten aus, schon bevor der erste Doppelton beblas/sungen ist, und Mangelsdorff erzählt auch gerne und sehr unterhaltsam, wie es zu solchen Benennungen kam.

Also ein Mann alleine mit seiner Posaune, dazu noch der Gummi-Stopfer, den Jazzer sich ja traditionsgemäß in Heimwerkerläden besorgen, und die Holzdielen, auf denen Mangelsdorff manchmal leise mit den Füssen den Takt mittupft. Das reicht für ein spannendes, abwechslungreiches und musikalisch mitreissendes Konzert: sS brauchte Mangelsdorff für ein Stück noch einen durchklingenden Grundton G, und den ließ er einfach das Publikum (übrigens erstaunlich sauber und solide) summen.

Nicht umsonst ist Albert Mangelsdorff einer der wenigen (und der einzige deutsche) Jazzmusiker, den man schon nach einem gespielten Ton erkennt. Ein schönes, im besten Sinne des Wortes „gepflegtes“ Konzert im vollbesetzten KITO, das nach der Sommerpause gleich mit einem Höhepunkt der Reihe Sparkasse in Konzert begann.

Am 29.9. wird es dort noch einen Soloauftritt geben, dann mit dem Pianisten Walter Norris. Da wird es schon schwerer werden, die Stuhlreihen zu füllen.

Wilfried Hippen