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Verstimmung im Bördeland

Der deutsche Handballmeister SC Magdeburg gewinnt sein drittes Saisonspiel gegen Willstätt-Schutterwald mit 29:23, ist aber von Zweifeln an seiner Spielstärke geplagt

MAGDEBURG taz ■ Alfred Gislason war sauer. Die Verstimmung des Magdeburg Trainers wurde schon in der Halbzeitpause hörbar. Laut und deutlich waren die Wortfetzen, die unter der Kabinentür hervorkrochen, und von solcher Art, dass man sie besser nicht in der Zeitung schreibt. Wenigstens hat Gislasons Gardinenpredigt, zumindest aus Magdeburger Sicht, gefruchtet: Der deutsche Handballmeister aus dem Bördeland jedenfalls kam zurück aufs Feld und entschied in Windeseile die Bundesligapartie gegen die SG Willstätt-Schutterwald: Aus dem so unbefriedigenden Halbzeitresultat von 14:12 wurde in nur fünf Minuten ein 18:12. Weitere vier Minuten später hieß es gar 21:13 für die Hausherren, was sich nun doch wieder einigermaßen standesgemäß anhörte.

Zufrieden war Gislason auch nach der Partie nicht, die schließlich mit 29:23 zu Ende ging. Dabei störte ihn weniger, dass die Gäste aus dem Badischen, eher dem unteren Tabellendrittel zuzurechnen, noch einmal herankamen, am dichtesten in der 49. Minute, als es plötzlich wieder 23:21 stand. Die Aufholjagd hatte Magdeburgs Trainer mehr oder weniger selbst provoziert, als er Leistungsträgern eine Pause verordnen wollte und der Spielfluss deshalb ins Stocken geriet. Vielmehr zurrte er seine Kritik weiterhin an Halbzeit eins fest, in der der deutsche Meister nahezu in bestmöglicher Besetzung spielte – und dennoch nicht brillieren konnte. „Das war eine Schlafmützendeckung“, fand der Isländer, im Angriff war es nicht viel besser.

Ungewöhnlich viele leichte Ballverluste unterliefen den Magdeburgern dort, weil Laufwege nicht genau definiert scheinen, das Positionsspiel bisweilen allzu statisch und damit berechenbar daherkommt. So lange dem so ist, wird Gislason weiterhin auf die Alleinunterhaltung von Olafur Stefansson und Neuzugang Nenad Perunicic im Rückraum angewiesen sein, die es gegen Willstätt zusammen auf 17 der 29 Magdeburger Tore brachten, damit aber auch nicht verdecken konnten, dass der deutsche Meister nach der Auftaktniederlage in Eisenach und dem wenig berauschenden Auftritt gegen Göppingen auch im dritten Saisonspiel keine seinem hochrangig besetzten Kader angemessene Leistung brachte. Vielmehr dürfte es derzeit so sein: Zwingt der Gegner die beiden Kanoniere aus dem Hinterhalt unter Kontrolle, hat er den ganzen SC Magdeburg im Griff.

Dabei wollte und sollte sich der SC Magdeburg gerade gegen die Willstätter freispielen und in Schuss bringen für die Spitzenpartie am Samstag in Kiel. Nun aber dürfte weiterhin die Angst umgehen, schon allzu früh in der Saison ins Hintertreffen zu geraten im Kampf um die Titelverteidigung. Eine Niederlage in Kiel angenommen, käme der SCM mit 4:4 Punkten in eine Situation, die nur mit „Fehlstart“ zu kennzeichnen wäre. Trainer Gislason war bereits nach der wenig schmeichelhaften Heimpremiere gegen Aufsteiger Göppingen (22:19) sogar schon einen Schritt weiter gegangen: „In dieser Verfassung können wir die Titelverteidigung abschreiben“, hatte er da gesagt.

Dies freilich dürften zu solch frühem Zeitpunkt in der Saison eher psychologisch angesetzte Parolen sein, um die Mannschaft wachzurütteln und ihr vor Augen zu führen, dass die angestrebte Titelverteidigung kein Selbstläufer wird und das Leben auch in dieser Saison nicht nur aus Spielen in der Champions League besteht, in der die Magdeburger als Meister spielen dürfen, und der Rest mehr oder weniger nebenher erledigt werden kann, mit angezogener Handbremse, zumal wenn die Gegner aus Eisenach, Göppingen oder Willstätt kommen. Am Samstag heißt der Gegner Kiel. Spätestens dann wird man eine Ahnung davon bekommen, wie es in dieser Saison wirklich steht um den SC Magdeburg. FRANK KETTERER

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