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leben in funnylandYVES EIGENRAUCH blickt durchs Fenster

Eins und eins kann sieben sein

small town boy. das quadratische etwas, durch das wir hinausschauen, gleicht sowohl vom äußeren als auch vom inhaltlichen her dem eines auf einem monitor laufenden filmes. wir nennen es fenster. mehr breite als höhe. 16:9 in der qualität eines beta-bandes und dem ausdruck alter super-acht filme. bilder des gewesenen ergreifen uns, ohne dass wir das wollten oder uns dagegen verwehren könnten.

das junge mädchen, es mag vielleicht zwei jahre alt sein, vielleicht erst eineinhalb,wird von seiner mutter auf dem arm getragen. wir wissen nicht wirklich, ob es sich bei der frau um die mutter des kindes handelt. aus irgendeinem grund versuchen wir, eins und eins zusammenzuzählen, einfach, weil es uns nicht in den sinn zu kommen scheint, dass die eins vielleicht auch eine zwei sein kann. oder gar die sieben?

nun ja. sie durchschreiten den raum, in dem sie sich gerade jetzt aufhalten. wollen papa bei der arbeit zusehen! wollen sie das? „wer mag der vater sein?“, scheint sich in den augen der zahlreich anwesenden anderen menschen zu reflektieren. wen geht es etwas an? neugierig verdrehen wir unsere hälse. und das, obwohl die mutter nicht von außergewöhnlicher erscheinung ist. schlank, eher von zierlicher natur, vielleicht einen meter achtzig groß (mit absätzen).

inzwischen ist das kleinkind ohne worte abgesetzt worden. es läuft herum, wirkt auf seinen noch sehr unerfahrenen beinen sehr unsicher. wäre das kind älter, wollten wir denken, es könne jetzt langsam mal mit dem trinken aufhören. aus dem raum tritt es auf den balkon heraus. vor ihr fallen drei treppenstufen ab, die das mädchen aber zu begehen meidet. intuitiv torkelt es in einem sicheren abstand zu den treppen. jetzt gerade hebt die mutter ihr kind auf die brüstung: childrens? view.

ganz viele menschen sind da, nicht in dem rund, eher in einer schüssel. einer schüssel aus grauem beton. und laut ist es, der krach will kein ende nehmen. viele leute haben fahnen dabei. so wie es bei mir in jahren die laterne sein wird, die mich beim martins-singen begleiten wird. daddyo kann ich nirgendwo sehen, vielleicht sind die blauen und die weißen figuren doch zu weit weg. nah und fern zugleich. auch kann ich ihn nicht riechen. hier stinkt’s. oder besser: es muffelt. das stinken wird vielleicht noch kommen!

also mache ich mama klar, dass ich lieber wieder auf den boden will. ein bisschen schreien, ein bisschen zappeln, so einfach kann es sein, mich verständlich zu machen. sollten sich die großen mal ein beispiel dran nehmen. was habe ich der tage gehört? verkomplizieren!!! meine unbekannten lieben und alle anderen, wenn ihr diese zeilen lest, werde ich nicht mehr an diesem ort weilen. zu sehr schmerzt mich mein hals. ich versuchte den lauten zu lauschen, stellte jedoch schnell fest, dass es ein für mich sinnloses unterfangen ist.

ich wünschte, ich könnte euren einfachen erwartungen gerecht werden! alles wird leiser, das fenster im zug zeigt nicht die filme, die ich sehen will. nebelschwaden verklären die sicht so sehr, dass das sehen nicht mehr möglich ist. der geist ruht.

Fotohinweis:yves eigenrauch, 30, ist angestellter von schalke 04 und sucht den Vater

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