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Märchen von der Beherrschbarkeit

betr.: „Gegen Terror sind wir machtlos“, taz vom 11. 10. 01

Klaus Traube hat die Konsequenzen eines Super-GAUs in Mittel-Europa stark untertrieben. Es ist zwar richtig, dass in Tschernobyl ein Umkreis von 30 Kilometern kurzfristig geräumt wurde, doch gereicht hat das nicht.

Ein großer Teil der Evakuierten wurde in Gebiete verlegt, die noch stärker verseucht waren als ihre Heimat. Die meisten Opfer sind hunderte von Kilometern entfernt im Nachbarland Weißrussland zu beklagen, wo die radioaktiven Wolken abregneten. Dort ist eine ganze Generation von Kindern an Schilddrüsenkrebs gestorben, obwohl alle Experten vorhersagten, dass die Belastung kaum zu zusätzlichen Toten führen werde. So steht die Strahlenmedizin heute vor der Erkenntnis, dass Babys und Kleinkinder als Risikogruppe vielfach empfindlicher sind als bisher angenommen. Für die Kleinsten unter uns müsste daher die Evakuierungszone auf 300 Kilometer erhöht werden.

Fast jeder im neuen Jahrtausend geborene Europäer lebt in der unmittelbaren Gefahrenzone eines Kernkraftwerks. Dies treibt jedem Katastrophenschützer den Schweiß auf die Stirn, der bei einem „herkömmlichen“ Super-GAU viele Stunden Zeit zur Evakuierung hätte. Bei einem Terroranschlag hingegen können Stahlbetonbauwerke schon nach Minuten zusammenbrechen. In diesen Tagen erlebt man mancherorts Katastrophenschützer, die in bester „Duck and Cover“-Manier ihre längst von der Realität überholten Einsatzpläne aus den 50er-Jahren hochhalten. Dem Märchen von der Beherrschbarkeit der Atomenergie werden nun weitere Kapitel über die Kontrollierbarkeit von Terroristen folgen. [. . .]

MEINRAD ROMBACH, Medizin-Physiker, Freiburg

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