: Aus der Geschichte lernen
betr.: „Schily verteidigt sein Paket“, taz vom 18. 10. 01
Wie ist Schilys Aussage, Freiheit und Sicherheit gehören zusammen, zu verstehen? Unsere Sicherheit wird von Terroristen bedroht, unsere Freiheit, so will mir scheinen, von unserem Bundesinnenminister. [...]
Da wir Deutsche als gründlich gelten, kommen vielleicht als Nächstes im Sinne der neuen Richtung der zivilisierten Staaten folgende Grundgesetzänderungen:
Alle Bürger sind potenzielle Terroristen und werden entsprechend behandelt. Ausländer islamischen Glaubens erhalten ein „I“ in ihren Ausweis gedruckt (da die mit dem „J“ nicht mehr in Umlauf sind, besteht keine Verwechslungsgefahr!) Die Ausweise von Frauen und Männern, die privaten Umgang mit Ausländern pflegen, werden mit einem „U“ versehen. Steht für unzuverlässig. Briefe sind nur noch unverschlossen zu verschicken und werden von der zuständigen Postkontrollstelle eingesammelt und nach Freigabe an den Empfänger weitergeleitet. Alle privaten Telefonate sind der Abhörbehörde anzumelden. Sollten weitere Maßnahmen erforderlich sein, so erfolgt ihre Einführung kurzfristig und ohne vorherige Gesetzesänderung.
Als Nebeneffekt werden durch solche Gesetzesänderungen neue Arbeitsplätze geschaffen – das hatte unsere Regierung ja vor den Wahlen versprochen! Ich überlege, ob es an der Zeit ist, die Koffer zu packen. ANGELIKA HAMLAOUI, Münster
Ich mache mir große Sorgen über die politische Entwicklung in unserem Land nach dem 11. September. Vor allem die vielen neuen Gesetzesänderungen des Herrn Schily, zu der angeblichen „Terroristen-Bekämpfung“. Besessen von der „Terroristen-Manie“ ändert unser Bundestag im Eiltempo die Gesetze. Solch einen Zustand haben wir schon einmal in Deutschland gehabt.
Als am 27. Februar 1933 der Reichstagsbrand war, wurden genauso im Eiltempo die „Ausnahmegesetze“ beschlossen und auch konsequent umgesetzt. Damals nannte man dies die „Notverordnung“. Sie wurden am 22. März 1933 beschlossen.
Diese Notverordnungen bzw. „Ausnahmegesetze“ ebneten Hitler den Weg zur Diktatur. Die damalige „Reichsbrand-Verordnung“ beinhaltete genauso wie beim Herrn Schily das Vereins- und Versammlungsrecht, das Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis usw.
Diese so genannten Ausnahmebestimmungen waren damals angeblich auch nichts anderes als „Abwehr“ – wörtlich: der „heimtückischen Angriffe“ gegen die Regierung. Die „Heimtücke“-Verordnungen waren damals allen sehr einleuchtend – so wie heute die ganzen „Gesetze zur Bekämpfung des Terrorismus“. Das Volk schluckte es gutgläubig, bis es zu spät war und kein Zurück mehr gab.
Wir sollten aus der Geschichte lernen.
JOH. W. MATUTIS, Pastor, Neue Nazarethkirche, Berlin
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