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Weiß macht sorgenfrei

Umweltfreundliches Papier ist bei der Kundschaft immer weniger gefragt. Aktion in elf Hamburger Copyshops soll das ändern  ■ Von Gernot Knödler

Die Welt des schönen Scheins macht es ernsthaften Anliegen schwer. Eine Diplomarbeit auf umweltfreundlichem Papier? „Da kam noch kein einziger, der gesagt hat, ich mach' das auf Recyclingpapier“, sagt Renate Geißel, Inhaberin des Copyshops „Wie gedruckt“ in der Eimsbüttler Osterstraße. Nein, bei dem Wert, der auf das äußere Erscheinungsbild gelegt werde, wolle kein Examenskandidat so was riskieren.

Aber während Prüflinge in der Regel noch eins draufsetzen und besonders schönes und schweres Papier verlangen, will sich die Kundschaft offenbar nicht mal mehr für den Hausgebrauch mit weniger als blütenweißer Perfek-tion zufrieden geben. „Die Leute wollen eigentlich kaum Recyclingpapier“, sagt Geißel. Mit einer Aktion in verschiedenen Copyshops vom 5. bis 30. November will der Glücksburger Recyclingpapier-Hersteller Steinbeiß-Temming diesen Trend umkehren.

Steinbeiß ist der führende Hersteller von Recyclingpapier fürs Büro in Deutschland. Nach Berechnungen der Firma ist der Anteil dieses Papiers am gesamten A 4-Verbrauch von 1997 bis 2000 von 14 auf 13 Prozent gesunken.

Die für Steinbeiß arbeitende Umweltwissenschalftlerin Evelyn Schönheit hält es für möglich, dass die erfolgreiche Greenpeace-Kampagne für chlorfrei gebleichtes Papier zu dem Rückgang beigetragen hat. Chlorfreie Bleiche ist der kleinstmögliche Beitrag zum Umweltschutz beim Papierverbrauch und auf jeden Fall ein Gewinn. Bei manch einem könnte der Eindruck entstanden sein, das sei schon genug des Umweltschutzes, vermutet Schönheit.

Recycling-Papier steht dem Nachhaltigkeitsgedanken einen entscheidenden Schritt näher: Es besteht aus Altpapier, dessen Farben unter Aufwendung von Wasser und Energie entfernt werden. Wer solches Papier kauft, sollte auf den Blauen Engel des Umweltbundesamtes achten. Dieser garantiert, dass ein Anteil schlechter Altpapierqualitäten verarbeitet und bei der Herstellung auf giftige Chemikalien verzichtet wurde.

Am umweltverträglichsten ist Umweltschutzpapier, bei dem auf das Entfernen der Farben in der Regel verzichtet wird. Dafür ist es weniger weiß als Recyclingpapier und kann schattiert sein.

Ausgerechnet Umweltschutzpapier spielt im Handel mit Büropapier aber keine Rolle mehr. „Die Firmen, von denen wir das früher bezogen haben, gibt's nicht mehr“, sagt Jens-Rüdiger Boy, Geschäftsführer der „Werkstatt für Umweltfreundliche Produkte“ (WUP) in der Stresemannstraße. Auch das Recycling-Papier ist am Markt unter Druck. Boy hat das Gefühl, „dass insgesamt der Umweltgedanke bei Papier unwichtig geworden ist“. Wenn es den Leuten schon nicht so gut gehe, dann wollten sie wenigstens weißes Papier.

Ein Trend, den Jochen Schramm vom „Friedensblitz“ in Ottensen bestätigen kann. Bis Mitte der 90er Jahre habe der Anteil des Recyclingpapiers fünf bis zehn Prozent betragen. Heute werde es dagegen „nur noch sehr sporadisch“ nachgefragt, was Schramm schade findet. Dabei kann er seinen KundInnen Recyclingpapier guten Gewissens empfehlen: Kopierpapiere mit dem Blauen Engel erfüllen die Quali-tätsnorm für Kopierpapier, und sie sind alterungsbeständig.

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