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Platzverweis fürs ganze Wendland

■ Castor: Erneut Betonblock entdeckt. AtomgegnerInnen entfernten Gleis

Die Lage im Wendland hat sich gestern noch einmal zugespitzt. Das von der Bezirksregierung Lüneburg erlassene Versammlungsverbot von 50 Metern entlang der Castor-Strecke ist gestern von der Polizei erheblich ausgedehnt worden. Danach sind der atomkritischen „Agentur 70“ Karten von 29 Aufenthaltsverbotszonen zugespielt worden, die weite Regionen des Wendlands betreffen. Dort sollen Menschen von der Polizei pauschal Platzverweise erteilt werden, mit der Begründung, sich „in einen micht genehmigten Bereich zu befinden“.

Indes haben Polizei und Bundesgrenzschutz (BGS) ihre Sicherheitsmaßnahmen weiter hochgeschraubt. 15.000 PolizistInnen sind zurzeit im Einsatz, um die Castor-Strecke und das Hinterland unter Kontrolle zu behalten. So beobachten 50 Hubschrauber permanent die Trasse. BundesgrenzschützerInnen mit 6O Hunden suchen die Gleiskörper ab.

Aus guten Grund. So hatten Castor-GegnerInnen in der Nacht westlich von Dahlenburg und bei Rohtorf nahe Lüneburg die Schrauben der Gleise gelockert und diese angehoben. „Die Sachen konnten schnell behoben werden“, sagte ein BGS-Sprecher. Nach Angaben von Einsatzleiter Joachim Franklin entdeckte der BGS an zwei weiteren Orten in die Gleiskörper einzementierte Betonblöcke – einer bei Lüneburg, der andere bei Süschendorf. In einen solchen Betonklotz hatten sich im März Robin Wood-AktivistInnen eingekettet und den Transport bei Süschendorf 16 Stunden lang aufgehalten. Eine „Garantieerklärung“, dass nun alle Hindernisse entdeckt worden sind, möchte Franklin trotz rollenden Castors nicht abgeben.

Aber auch andernorts muss sich die Staatsgewalt auf Proteste einrichten. „Die Stimmung unter den Bauern ist gut“, sagte gestern Henriette Kulow von der „Bäuerlichen Notgemeinschaft“ nach den erfolgreichen Treckenblockaden von 220 Traktorem am Sonntag. Und auch die AktivistInnen von X-1000malquer kündigten an, sich durch weitere Sitzblockaden dem Transport zu WiderSetzen. Der Versuch der Polizei, ihren Sprecher Jochen Stay aus dem Verkehr zu ziehen und in Beugehaft zu nehmen, war Sonntag abend gescheitert. Stay wurde von einem Dannenberger Haftrichter wieder auf freien Fuß gesetzt. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hatte erst vor kurzem eine ähnliche Massnahme vom März – auch dort war Stay verhaftet worden – für rechtswidrig erklärt.

Wann der Castor an der Verladestation Dannenberg zum Umlanden auf die Straße eintrifft, war bei Redaktionsschluss nicht abzuschätzen. Gestern Abend rollte er noch durch Süddeutschland. Kai von Appen

Siehe auch Tagesthema Seite 7

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